Im vorherigen Teil unserer Serie „Markttag“ haben wir uns den Einstieg in die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien angeschaut. In dieser Folge geht es um den zentralen Punkt des Stromverkaufs: Den Stromhandel an der Spotbörse sowie am Regelenergiemarkt.
Wenn die energiewirtschaftlichen Grundlagen für den Markteintritt gelegt sind, ist die Anlage Teil des virtuellen Kraftwerks und ihre Leistung kann am Strommarkt veräußert werden. Um maximale Erlöse aus seinem Portfolio erzielen zu können, sollte ein Vermarkter über folgende Kompetenzen im Stromhandel verfügen: Analyse & Portfoliomanagement, Day-Ahead- & Intraday-Handel sowie Regelenergiehandel.
Welche Grundvoraussetzungen für den Eintritt in den Regelenergiemarkt notwendig sind, haben wir in unserem Blogbeitrag „Was ist und wie funktioniert eigentlich die Präqualifikation für den Regelenergiemarkt?“ zusammengefasst.
In Zusammenarbeit zwischen Portfoliomanagement und Analyse wird die Preisentwicklung des laufenden und kommenden Tages anhand von Wetterdaten und aktuellen Börsendaten sowie den historischen Einspeiseganglinien der einzelnen Anlagen prognostiziert. Diese Prognose bildet zum einen die Basis für den Handel an der Börse, zum anderen ist sie zusammen mit den Fahrplänen der Anlage die Grundlage für den Bilanzkreis des Vermarkters. Mit den Daten aus der Prognose und des Day-Ahead-Handels setzt sich der Fahrplan für den kommenden Tag zusammen, der bis 14:30 des Vortages an den ÜNB übermittelt werden muss. Für Betreiber, welche die Flexibilität ihrer Anlage etwa in der bedarfsorientierten Einspeisung vermarkten, wird mit Hilfe von Spotpreis-Prognosen der individuelle Fahrplan für die kommende Woche erstellt. Dieser wird dem Betreiber selbstverständlich im Voraus übermittelt.
Jede Anlage ist prinzipiell einem Bilanzkreis zugeordnet. Man kann sich den Bilanzkreis als ein virtuelles Energiekonto vorstellen, das immer ausgeglichen sein muss. Die ins Stromnetz eingespeiste Menge muss mit der prognostizierten und am Vortag vermarkteten Menge identisch sein. Für den einzelnen Betreiber bedeutet dies: Fährt seine Anlage nicht wie angekündigt, gerät der gesamte Bilanzkreis des virtuellen Kraftwerks aus dem Gleichgewicht. Denn aus der Summe der Einspeiseprognosen der individuellen Anlagen setzt sich der Bilanzkreis des gesamten virtuellen Kraftwerks zusammen. Wichtig ist dabei, dass die Fahrpläne der individuellen Anlagen möglichst präzise eingehalten werden und vorhersehbare Änderungen wie etwa Wartungen frühzeitig an den Vermarkter übermittelt werden, um etwaige Fehlstellung des Bilanzkreises zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass es wirtschaftlicher ist, etwa Wartungsarbeiten in Zeiten zu legen, wenn der Strompreis erwartungsgemäß niedriger ist. Kundenberater von Direktvermarktern geben diesbezüglich gerne Auskunft, um solche Eingriffe in die Fahrweise entsprechend zu planen.
Die produzierte Strommenge aller Anlagen, die in einem virtuellen Kraftwerk zusammengefasst sind, wird über die Handelsabteilung veräußert. Für den Handel selbst ist es erst einmal zweitrangig, wieviel Strom der jeweilige Betreiber mit seiner Anlage eingespeist hat. Er handelt immer die Gesamtmenge des virtuellen Kraftwerks. Als Anlagenbetreiber muss man für diesen Handel und den Intraday-Handel keine besonderen Vorkehrungen treffen. Man produziert wie gewohnt weiter seinen Strom und speist ihn ein. Am Day-Ahead-Markt (auch Auktionshandel genannt) handelt man den Strom für den Folgetag – meistens in Blöcken von einer Stunde. Für diese Blöcke gibt der Händler am Vortag bis 12 Uhr mittags entsprechende Gebote ab. Um 12:40 erfährt er, welche Zuschläge die jeweiligen Gebote bekommen haben. Wie hoch die Handelserlöse sind, spielt für den Anlagenbetreiber in der Direktvermarktung von Erneuerbaren Energien prinzipiell eine untergeordnete Rolle: Über die Marktprämie wird die Differenz zwischen durchschnittlichem Marktwert und dem vorherigen Erlös aus der fixen EEG-Einspeisevergütung ausgeglichen.
Der Intraday-Handel gestaltet sich etwas anders. Hier wird der Strom für den aktuellen Tag gehandelt. Die Händler versuchen am Intraday-Markt die Differenzen des Bilanzkreises auszugleichen. Diese Differenzen resultieren daher, dass entweder mehr oder weniger Strom im Bilanzkreis verfügbar ist, als vorher prognostiziert wurde. Dementsprechend kauft oder verkauft der Händler die benötigten Mengen. Im Intraday-Handel kann bis zu 45 Minuten vor der eigentlichen Lieferung gehandelt werden – die typische Handelsgröße sind Stunden und 1/4h-Produkte/Blöcke. Den Ablauf des Intraday-Handels kann man sich so ähnlich vorstellen wie bei einem klassischen Markthandel: Die einzelnen Parteien nähern sich mit der Preisvorstellung gegenseitig an, bis sich zwei Parteien einig sind. Für die meisten Anlagenbetreiber ändert der Handel am Intraday-Markt nichts an der Fahrweise der Anlage. Verfügt ein Anlagenbetreiber jedoch über eine extrem flexible Anlage, deren Leistung sowohl schnell herunter geregelt als auch weiter hoch gefahren werden kann, lässt sich diese Flexibilität gewinnbringend am Intraday-Markt handeln. Da die Anlage kurzfristig auf Kursänderungen reagieren kann und ist sie in der Lage, den Strom in möglichst lukrativen Momenten zu produzieren. Je flexibler sich die Anlage fahren lässt, umso bessere Erlöse lassen sich erzielen.
Mehr zum Nachlesen
Fällt bei einem Betreiber die Anlage unerwartet aus oder kann sie aus irgendeinem Grund die vorher bilanzierte Menge nicht produzieren, und konnte dieser Differenz auch nicht über den Intraday-Handel ausgeglichen werden, ist der Bilanzkreis im Ungleichgewicht. In diesem Fall stellt der ÜNB dem entsprechenden Bilanzkreisverantwortlichen – in diesem Fall dem Vermarkter Ausgleichsenergiekosten in Rechnung. Diese werden im Idealfall jedoch vom Vermarkter übernommen, der diese mit entsprechendem Know-How und einem erfolgreichen Intraday-Handel sowie dem Dispatch von flexiblen weiteren Anlagen gut minimieren kann.
Der Regelenergiemarkt findet vollständig losgelöst vom Intraday- und Day-Ahead-Handel auf einem eigenen Marktplatz statt. Die Aufgabe der Regelenergie ist es, ein stabiles Stromnetz zu garantieren. Ist eine Anlage für den Regelenergiemarkt zugelassen, speist sie wie gewohnt ein. Vermarktet wird am Regelenergiemarkt die flexible Leistung, welche die Anlage prinzipiell für einen Abruf vorhalten kann. Wenn es zu einem Regelenergieabruf kommt (weil zuviel oder zuwenig ins Netz eingespeist wurde), wird die Anlage entsprechend aus der Leitstelle des Vermarkters geregelt, ohne dass der Betreiber aktiv eingreifen muss. Die Auktionen für die Regelenergie erfolgen anonym. Die einzelnen Angebote werden nach dem Merit-Order-Prinzip bezuschlagt und abgerufen. Das heißt, dass zuerst die günstigsten Angebote den Zuschlag erhalten. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: „Wie entstehen die Preise auf dem Regelenergiemarkt“.
Im dritten Teil unserer Serie schauen wir uns die technische Einbindung von Anlagen in das Virtuelle Kraftwerk Next Pool genauer an.
Fotocredit: Michigan Municipal League, Lizenz: CC BY-ND 2.0
Weitere Informationen und Dienstleistungen