Der Intraday-Handel von Strom findet sowohl an Spotmärkten wie der EPEX Spot (Spotmarkt der European Power Exchange) statt als auch im OTC-Handel (Over-the-Counter), also über außerbörslich ausgehandelte Verträge zwischen Stromkäufern und -verkäufern. Er bezeichnet den kontinuierlichen Kauf und Verkauf von Strom, der noch am gleichen Tag geliefert wird. Man spricht daher auch von kurzfristigem Stromgroßhandel, insbesondere im Gegensatz zum Stromhandel mit längeren Vorlaufzeiten am Terminmarkt.
Im kurzfristigen kontinuierlichen Stromhandel werden in der Regel Stromlieferungen in sowohl 15-Minuten- als auch Stunden-Blöcken gehandelt; wobei auch der Handel von größeren Blöcken möglich ist. Standardisierte Blockgebote sind der Baseload für die Stunden 1 bis 24 sowie der Peakload für die Stunden 8 bis 20 an jedem Wochentag (Montag bis Freitag). Die Möglichkeit des viertelstundengenauen Handels - eingeführt im Dezember 2011 - ist wohl das bedeutendste Kennzeichen des Intraday-Handels. Eine Position kann bis zu 5 Minuten vor Lieferbeginn gehandelt werden. Ein Beispiel: Möchte ein Teilnehmer für die Viertelstunde von 16:00-16:15 Uhr 20 MWh Strom kaufen und findet einen Verkäufer, der bereit ist, die geforderte Menge zu verkaufen, muss der Zuschlag bis 15:55 erfolgt sein.
Die Vorlaufzeiten im Intraday-Handel wurden in den letzten Jahren stetig verkürzt. Für den Handel innerhalb Deutschlands wurden sie am 16. Juli 2015 von 45 Minuten vor der Lieferviertelstunde auf 30 Minuten reduziert, mittlerweile beträgt die Vorlaufzeit in Deutschland lediglich fünf Minuten. Für den Handel in Österreich verkürzten sie sich von 75 Minuten auf 30 Minuten vor Lieferbeginn. Als Grund hierfür nannte die EPEX Spot die wachsende Einspeisung fluktuierender Energieträger, welche langfristige Einspeiseprognosen erschwert. Die Stromhändler sollten darum die Möglichkeit bekommen, ihre Strommengen kurzfristiger zu handeln und damit ihr Portfolio-Management zu vereinfachen.
Der Intraday-Handel eröffnet um 15 Uhr des Vortags. Zu diesem Zeitpunkt startet der kontinuierliche Handel von Stundenprodukten sowie seit dem 9. Dezember 2014 die Eröffnungsauktion der Viertelstundenprodukte. Diese können anschließend ab 16 Uhr kontinuierlich für den Folgetag gehandelt werden. Die kleinste handelbare Einheit im Intraday-Handel ist wie im Day-Ahead-Handel 0,1 MWh. Die mögliche Preisspanne für eine Megawattstunde beträgt -9.999 Euro bis 9.999 Euro. Ebenso wie der Day-Ahead-Handel findet der Intraday-Handel anonymisiert und an jedem Tag im Jahr statt. Strom aus konventionellen sowie aus erneuerbaren Energieträgern wird gleichberechtigt und ohne Nachweis der jeweiligen Stromherkunft gehandelt.
Ein Unterschied zum Day-Ahead-Handel liegt in der Preisbildung auf dem Intraday-Markt: Während der Day-Ahead-Handel immer auf dem Prinzip des markträumenden Preises beruht, bei dem das letzte bezuschlagte Gebot den Preis für alle Transaktionen bestimmt ("Merit-Order-Prinzip"), werden die Preise im kontinuierlichen Intraday-Handel im "Pay-as-bid"-Verfahren ermittelt. Dabei wird im kontinuierlichen Handel immer exakt der Preis erhoben, der bei der jeweiligen Transaktion bezuschlagt wurde. Daher spricht man im Intraday-Handel auch von Gebotspreisen. Dies hat zur Folge, dass im kontinuierlichen Intraday-Handel keine Einheitspreise für die jeweiligen Produkte entstehen, es vielmehr je nach Handelszeitpunkt zu verschiedenen Preisen für das gleiche Produkt kommt. Lediglich bei den Intraday-Auktionen gilt nicht das Pay-as-bid-Verfahren, sondern ebenfalls der markträumende Preis.
Seit Juli 2018 können an der EPEX Spot auch Viertelstunden in Blöcken gehandelt werden. Nach eigenen Aussagen der EPEX Spot begrüßen die Marktteilnehmer die Einführung der Blockbestellungen, da sich so auch Chancen für Arbitrage zwischen Intraday- und Day-Ahead-Auktion ergeben. In Zukunft ist es durchaus denkbar, dass die momentan noch starren Blöcke flexibilisiert werden und auch größere und intelligent gestaltete Blöcke möglich werden.
Der Intraday-Handel dient primär dazu, Fehlmengen oder Überschüsse des eigenen Bilanzkreises durch kurzfristige, untertägige Handelsaktivitäten so gering wie möglich zu halten, um den Prognoseverpflichtungen des Bilanzkreisvertrages nachzukommen und etwaige Ausgleichsenergiekosten zu reduzieren. Mit Hinblick auf immer flexibler werdende Anlagen lässt sich der kurzfristige Handel aber auch dafür nutzen, um den Strom von Anlagen kurzfristig bedarfsgerecht – und somit möglichst gewinnbringend und systemstabilisierend – zu produzieren.
Der Intraday-Handel ist insbesondere von Bedeutung, um unvorhersehbare Änderungen in Stromproduktion und -nachfrage über marktliche Mechanismen aufzufangen, bevor der Einsatz von Regelenergie notwendig wird.
So kann beispielsweise ein Kraftwerksbetreiber, in dessen Kraftwerk kurzfristig ein Block ausfällt, bei anderen Marktpartnern den seinem Bilanzkreis nun fehlenden Strom einkaufen. Dem Intraday-Handel kommt daher auch in der Direktvermarktung von Erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle zu, etwa wenn kurzfristig angepasste Wetterprognosen ein ungeplantes Mehr oder Weniger an Stromproduktion aus Solar- oder Windkraftanlagen verheißen.
Seit 2010 wurde der Börsenmarkt sukzessive so erweitert, dass nicht nur innerhalb einzelner Staaten gehandelt werden kann, sondern auch zwischen Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich. Das größte Volumen an der EPEX Spot wird nach wie vor im Marktgebiet Deutschland, Österreich und Luxemburg gehandelt.
Das untertägige Handelsvolumen an der EPEX Spot nimmt bisher stetig zu. Die Zunahme der Volumen an den Kurzfrsitmärkten in den letzten Jahren wird mit einer Zunahme der Erneuerbaren erklärt, Deren flukturierende Einspeisung einen Stromhandel begünstigt, der der Echtzeit so nah wie möglich kommt.
Die aktuellen Preis- und Marktdaten des Intraday-Handels veröffentlicht die EPEX SPOT auf ihrer Webseite.
Jahr | Gehandelte Mengen am Intradaymarkt der EPEX Spot in TWh |
---|---|
2010 | 24 |
2011 | 32 |
2012 | 33 |
2013 | 38 |
2014 | 47 |
2015 | 59 |
2016 | 62 |
2017 | 71 |
2018 | 82,5 |
2019 | 91,6 |
2020 | 111 |
2021 | 123 |
Datengrundlage: Jahresberichte und Pressemeldungen der EEX
Unsere Analyse der aktuellsten Spotmarkt- und Regelenergiepreise sowie der Brennstoff-, CO2- und Terminmarktpreise macht gerade eine kurze Pause.
Mit dem 12. Juni 2018 wurde in der EU der grenzüberschreitende Intraday-Handel zwischen den Ländern Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, Norwegen, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien eingeführt. Unter dem Kürzel XBID ermöglichen harmonisierte Handelssysteme, Gebote der Marktteilnehmern aus den Teilnehmerländern zu koordinieren und grenzüberschreitend untertägig zu handeln – dies setzt allerdings eine ausreichende Verfügbarkeit grenzüberschreitender Übertragungskapazität voraus.
XBID ist im Kern ein gemeinsames IT-System, welches aus einem Standard-Order-Book (SOB), einem Capacity Management Module (CMM) und einem Shipping Module (SM) besteht. Die Standards sind für alle Teilnehmer bindend. Gemäß den Zielvorgaben der EU soll das Projekt den integrierten Intraday-Markt ermöglichen und effizienter und reaktionsschneller machen: Marktteilnehmer bekommen mit XBID die Möglichkeit, ihre Bilanzkreise schneller europaweit glattzustellen, was sinkende Ausgleichsenergiekosten ermöglichen soll. XBID-Partner sind die Strombörsen EPEX SPOT, GME, Nord Pool und OMIE sowie die Übertragungsnetzbetreiber der Teilnehmerländer.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.