Der Zweck des Dispatchs ist es, die in betriebswirtschaftlicher Hinsicht möglichst lukrative Fahrweise des eigenen Kraftwerksparks umzusetzen. Dazu wird der Einsatz aller verfügbaren Kraftwerke unter Berücksichtigung der variablen Kosten des Kraftwerkseinsatzes (bei Kohlekraftwerken u.a. die Kosten des Brennstoffs) und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Preise am jeweiligen Absatzmarkt geplant, denn natürlich wird ein Kraftwerk nur eingesetzt, wenn seine variablen Kosten unter den zu erzielenden Absatzpreisen liegen. Das Ergebnis des Dispatchs ist die Allokation der verfügbaren Kraftwerksleistung in räumlicher (Welches Kraftwerk wird eingesetzt?), zeitlicher (Ab wann und für wie lange wird das Kraftwerk eingesetzt?) und gradueller Hinsicht (Soll das Kraftwerk in Teillast oder Volllast fahren?) die in einem sogenannten Fahrplan festgehalten wird.
Alle Kraftwerksbetreiber sind verpflichtet, diesen Fahrplan mit den von ihnen am Folgetag zu produzierenden Strommengen beim jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), der für die Netzstabilität in Deutschland verantwortlich ist, anzumelden. Dazu übermitteln sie bis 14.30 Uhr des Vortages den Fahrplan aller eigenen Kraftwerke an den ÜNB, in dessen Regelzone sich die jeweiligen Kraftwerke befinden. Aus der Summe aller Fahrpläne in allen vier Regelzonen ergibt sich der bundesdeutsche Dispatch für den Folgetag – anders gesagt der geplante Einsatz aller deutschen Kraftwerke.
Auch im Bereich der Erneuerbaren Energien findet der Begriff Dispatch seine Berechtigung. Während sich bei fluktuierenden Erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft der Fahrplan für den Folgetag durch die Auswertung von Wetterprognosen und Anlagenverfügbarkeiten ergibt, sind regelbare Erneuerbare Energien wie Biomasse und teilweise Wasserkraft in der Lage, den Einsatz der eigenen Kraftwerke für die Zukunft zu planen. Bei Biogasanlagen wird ein Dispatch zum Beispiel im Bereich der bedarfsgerechten Einspeisung vorgenommen, indem zu erwartende Hochpreisphasen („Peaks“) an der Strombörse als Grundlage für die Einsatzplanung des Folgetags dienen.
Um den Begriff „Redispatch“ besser zu verstehen, ist es hilfreich erneut auf die Übermittlung der Fahrpläne aller Kraftwerke an die Übertragungsnetzbetreiber zurückzukehren. Sobald letztere alle Fahrpläne erhalten haben, erstellen sie für den Folgetag eine Übersicht der voraussichtlichen gesamtdeutschen Ein- und Ausspeisung auf Netzebene, indem sie eine Lastflussberechnung (oder: Netzbelastungsberechnung) durchführen. Sie schauen sich also an, welche Teile des Stromnetzes durch den gemeldeten Dispatch wie stark beansprucht würden. Um nun am Folgetag die Anzahl der kurzfristigen Eingriffe in die Fahrweise von konventionellen und regenerativen Kraftwerken zur Sicherung der Netzstabilität (Stichwort Einspeisemanagement nach EnWG §13 bzw. EEG §6, §11 und §12) möglichst gering zu halten, wird bereits am Vortag das Ergebnis der Lastflussberechnung von den Übertragungsnetzbetreibern genutzt, um die Kraftwerksbetreiber zur Verschiebung der geplanten Stromproduktion anzuweisen. Dadurch können vorausschauend und gezielt Netzengpässe vermieden werden. Diese Anweisung zur Verschiebung der Stromproduktion wird mit dem Begriff Redispatch bezeichnet.
Der Redispatch wird nur für Anlagen durchgeführt, deren Leistung 10 MW oder größer beträgt. Dies ändert sich jedoch mit dem Redispatch 2.0, welcher 2021 in Kraft tritt. Dann müssen sich alle Anlagen ab einer Größe von 100 kW am Redispatch beteiligen. Die Durchführung des Redispatchs wird über sogenannte Kraftwerkspärchen organisiert, sodass beispielsweise ein Kraftwerk, das sich vor dem erwarteten Netzengpass befindet, angewiesen wird weniger Strom zu produzieren und ein anderes, das sich hinter dem erwarteten Netzengpass befindet, mehr Strom zu produzieren. Dadurch ändert sich wohlgemerkt nicht die Summe der Stromeinspeisung sondern nur die örtliche Verteilung der Produktion.
Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) 2019 verändert die Organisation des Redispatchs. Im Oktober 2021 soll der Redispatch 2.0 starten und vereinheitlicht die Regelungen zum Einspeisemanagement aus dem EEG und dem KWKG. Konkret werden dann auch Erneuerbare Energien-Anlagen sowie KWKG-Anlagen mit einer Anlagengröße von über 100 kW in die Pflicht genommen. Auch die Verteilnetzbetreiber werden dann mehr Aufgaben im Redispatch erhalten.
Ziel ist es die Kosten des Redispatchs und des Einspeisemanagements zu senken, welche in den letzten Jahren stetig gestiegen sind, und eine diskriminierungsfreie Beseitigung von Netzengpässen zu erreichen. Zudem sieht das Redispatch 2.0 Regime eine präventive statt einer reaktiven Beseitigung von Netzengpässen vor.
Nach wie vor sollen beim Redispatch, dem Netzengpassmanagement, vornehmlich konventionelle Anlagen abgeregelt werden. Erneuerbare Energien-Anlagen werden erst hinzugezogen, wenn die Möglichkeiten der Konventionellen erschöpft sind oder eine Engpassbeseitigung durch sie um den Faktor 10 günstiger ist bzw. um den Faktor 5 bei KWK-Anlagen.
Für einen Einsatz im Redispatch 2.0 wird die Anlage entschädigt. Während im Einspeisemanagement bei abgeregelten Mengen der Netzbetreiber komplett die entgangenen Einnahmen ausgezahlt hat, wird bei einer Abregelung im Rahmen des Redispatchs 2.0 (die Ausfallarbeit) nur noch die Marktprämie vom Netzbetreiber ausgezahlt. In der Regel werden die Direktvermarkter über die Ausfallarbeit an der Strombörse entschädigt und zahlen die Börsenerlöse in der geförderten Direktvermarktung an die Anlagenbetreibenden aus. Dies ist jedoch von der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung abhängig.
Der Redispatch 2.0 etabliert für Anlagenbetreibende von KWK- und EEG-Anlagen zwei neue Rollen. Der Betreiber einer technischen Ressource (BTR) ist für den Betrieb der Anlage zuständig. Auf ihn können Pflichten wie die Übermittlung von meteorologischen Daten und die Abstimmung der Ausfallarbeit mit dem Anschlussnetzbetreiber zukommen. Eine genauere Übersicht finden Sie bei den Ausführungen zu den verschiedenen Modellen.
Einsatzverantwortliche (EIV) sind für die Einsatzplanung der Anlagen verantwortlich und sind je nach Bilanzierungsmodell dazu verpflichtet Prognosen über die geplanten Einspeisungen und mögliche Ausfälle der Anlage an den Netzbetreiber zu übermitteln. Beide Rollen (EIV und BTR) können von den Anlagenbetreibenden aber auch an einen Dritten, beispielsweise einen Direktvermarkter, übertragen werden.
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Da sich im Redispatch 2.0 gegenüber dem Einspeisemanagement die Bilanzierung ändert und viele Marktakteure einbezogen werden, wurden von der BNetzA verschiedene Modelle für die Bilanzierung, Abrechnung und Abrufe festgelegt. Jede Anlage wird diesen Modellen zugeordnet. Der EIV übermittelt die Wahl der Modelle. Die Modellwahl findet in Absprache mit dem Anlagenbetreibenden und ggf. dem BTR statt.
Im Redispatch 2.0 gibt es zwei Bilanzierungsmodelle:
Prognosemodell | Planwertmodell | |
---|---|---|
Pflichten | Der Netzbetreiber erstellt Prognosen. Der EIV muss keine Planungsdaten, jedoch weiterhin Nichtbeanspruchbarkeiten übermitteln. | Der EIV übermittelt Planungsdaten und Nichtbeanspruchbarkeiten. |
Bilanzierung | Ausfallarbeit wird im Nachhinein (ex-post) berechnet und ist Grundlage der Bilanzierung. Der BTR muss die Ausfallarbeit mit dem Netzbetreiber abstimmen. Die Berechnung liegt beim Netzbetreiber. | Bilanzierung erfolgt auf den vorher gemeldeten Fahrplänen (ex-ante). Wenn eine Maßnahme stattfindet, sind die übermittelten Fahrpläne die Grundlage der Bilanzierung. Der BTR berechnet die Ausfallarbeit |
Vorteile aus EIV-Sicht | Weniger Daten müssen übermittelt werden. Kann bei unbekannter oder fluktuierender Einspeisung von Vorteil sein. | Mit Übermittlung der Fahrpläne weiß man bereits vorher wie hoch die bilanzierte Menge sein wird. Regelenergievorhaltung kann gemeldet und gesichert werden. |
Außerdem gibt es drei Abrechnungsmodelle von denen eines gewählt werden muss.
Spitz | Spitz-light | Pauschal | |
---|---|---|---|
Erklärung | Fluktuierende Erzeuger: Direkt an der Anlage gemessene Wetterdaten werden genutzt. Nicht-fluktuierende Erzeuger: Nach dem ex-ante übermittelten Fahrplan | Nur bei fluktuierenden Erzeugern. Nicht die Daten der Anlage selbst werden genommen, sondern von Referenzanlagen oder von mit dem Netzbetreiber abgeglichenen Wettermodellen. | Die letzte Viertelstunde vor der Maßnahme wird fortgeschrieben. |
Vorteile des jeweiligen Modells | Vorteile bei fluktuierenden Einspeisern: Ausfallarbeit kann sehr realitätsnah ermittelt werden | Vorteile bei fluktuierenden Einspeisern: Ausfallarbeit kann sehr realitätsnah ermittelt werden | Weniger Aufwand, da weniger Daten übermittelt werden müssen. |
Die Modelle für die Abrufumsetzung im Redispatch 2.0 legen fest, wer die vom Netzbetreiber berechneten Maßnahmen umsetzt. Hier gibt es zwei Modelle.
Duldungsfall: | Aufforderungsfall: |
---|---|
Netzbetreiber setzt Maßnahmen um | EIV setzt Maßnahmen um |
Der Umfang der Redispatch-Maßnahmen ist stetig gestiegen. Dies lässt sich unter anderem auf den beschleunigten Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima in Kombination mit einem verstärkten Ausbau der Windenergie im Norden Deutschlands und dem im Vergleich dazu langsam voranschreitenden Ausbau der Übertragungsnetze zurückführen. Diese Faktoren können auch die Schwankungen der Höhe der Maßnahmen erklären.
Bis 2017 sind die am stärksten vom Redispatch betroffenen Regelzonen 50 Hertz und TenneT. Grund hierfür war ein Engpass im Stromnetz, der mit der Thüringer Brücke eingedämmt werden konnte. Diese Strombrücke ist seit September 2017 voll in Betrieb und verbindet per Kuppelleitung die Regelzonen von 50 Hertz und TenneT. Die Thüringer Brücke zeigt sich auch im Umfang der Redispatch-Maßnahmen, die nach ihrer Inbetriebnahme wieder an Volumen abnehmen.
Die Kosten des Redispatchs werden auf die Netznutzungsentgelte umgelegt. Die Kosten ergeben sich zum einen aus der Erstattung der Brennstoffkosten sowie der Anfahrtskosten der Anlage (im Falle des Hochfahrens eines Kraftwerks) und zum anderen aus der Glattstellung des Bilanzkreises des von der Redispatch-Maßnahme betroffenen Betreibers durch den Übertragungsnetzbetreiber (im Falle des Herunterfahrens eines Kraftwerks).
Eine Übersicht der Summe der Redispatch-Maßnahmen sowie der Kosten pro Jahr finden Sie in der Tabelle.
Wie sich der Redispatch 2.0 auf die Kosten auswirken wird und ob die erhoffte Kosteneinsparung eintritt wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.
Jahr | Summe der Redispatch-Maßnahmen in GWh | Kosten Redispatch in Mio. Euro |
---|---|---|
2013 | 4.604 | 132,6 |
2014 | 5.197 | 185,4 |
2015 | 15.436 | 412 |
2016 | 11.475 | 219 |
2017 | 18.456 | 396,5 |
2018 | 15.529 | 388,2 |
2019 | 13.521 | 227,2 |
2020 | 16.795 | 220,5 |
2021 | 21.546 | 612,1 |
2022 | 29.534 | 1.895,6 |
Datengrundlage sind die Monitoringberichte der BNetzA
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.