Die Abschaltverordnung (eigentlich "Verordnung zu abschaltbaren Lasten" oder "AbLaV") ist eine Verordnung von 2012, die am 1. Oktober 2016 novelliert wurde. Sie soll die Nutzung von abschaltbaren Lasten in der Industrie zur Stabilisierung der Übertragungsnetze und somit zur Versorgungssicherheit fördern. Unter abschaltbaren Lasten versteht man stromintensive Industrieprozesse, die kurzfristig deaktiviert – abgeschaltet – oder gedrosselt werden können, wenn der physikalische Netzzustand dies erfordert. Abschaltbare Lasten zeichnen sich durch eine sehr hohe, kontinuierliche Stromabnahme aus und finden sich zumeist in der verarbeitenden Industrie.
Die Abschaltverordnung, erstmals 2012 in Kraft getreten, ermöglicht Unternehmen, durch die gezielte, ferngesteuerte Leistungsschaltung ihrer Verbrauchsprozesse das Stromnetz zu entlasten. Die Abschaltimpulse werden von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) initiiert und entweder direkt oder über ein Virtuelles Kraftwerk an die Betriebe übermittelt.
Bereits die Bereitstellung des Abschaltpotentials wird mit einem Leistungspreis vergütet. Werden tatsächliche Abschaltbefehle übermittelt, wird für diese ein zusätzlicher, separater Arbeitspreis gezahlt. Die Höhe von Leistungs- und Arbeitspreisen werden in Auktionen der Übertragungsnetzbetreiber ermittelt. Das übergeordnete Konzept der durch die Abschaltverordnung geförderten Maßnahmen – und damit der Ausregelung von Strom auf der Verbrauchsseite – ist das Lastmanagement (Demand Side Management).
Da vor der Einführung der Abschaltverordnung nur ein geringes Volumen der potentiell abschaltbaren Lasten zur Regelung über den bestehenden Regelenergiemarkt bereitstand, führte die Bundesregierung 2012 mit der AbLaV einen zusätzlichen Anreiz zur freiwilligen Abschaltung von Industrieprozessen ein.
Ähnlich wie bei der Regelenergie wird abschaltbare Leistung nach der Zeitspanne bis zur physikalischen Bereitstellung, also der Schnelligkeit der tatsächlichen Abschaltung, in zwei Kategorien unterteilt:
Sofort abschaltbare Lasten, die in unter 350 ms bereitstehen müssen, wenn eine Frequenzmessung direkt vor Ort erfolgt. Werden die Abschaltbefehle aus einem Leitsystem an den Produktionsbetrieb fernübermittelt, ist eine Reaktionszeit von unter einer Sekunde erlaubt.
Schnell abschaltbare Lasten, die in unter 15 min bereitstehen müssen. Zur Bereitstellung von SNL muss keine Frequenzmessung erfolgen, der Abschaltbefehl wird aus der Leitstelle fernübermittelt.
Die Novelle der Abschaltverordnung vom 1. Oktober 2016 verfolgt vor allem das Ziel, die Markteintrittshürden für gewerbliche Stromverbraucher zu senken. Zwar werden insgesamt weniger Megawatt SOL und SNL versteigert, dafür sind nun auch Stromverbraucher ab 5MW zugelassen.
AbLaV 2012 | AbLaV-Novelle 2016 | |
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Mindestangebotsleistung: | 50 MW | 10 MW (ab 1. Januar 2017 5 MW) |
Erbringung: | A: Einzelne Viertelstunden bis zu einer Stunde, min. 4x pro Woche B: 4 Stunden am Stück innerhalb von 7 Tagen C: 8 Stunden am Stück innerhalb von 14 Tagen mindestens 16 Stunden in einem Monat | mindestens eine Viertelstunde und maximal 32 Viertelstunden am Stück; mindestens 16 Viertelstunden in einer Woche |
Netzanschluss: | Mindestens 110 kV | Maximal zwei Umspannungen unterhalb des Höchstspannungsnetzes (380 kV) und im physikalischen Wirkungsbereich eines Höchstspannungsnetzes |
Technische Mindestverfügbarkeit: | 4 Tage in Monat | 552 Viertelstunden pro Woche (Gesamtzahl der Viertelstunden pro Woche minus 120 Viertelstunden möglicher Nichtverfügbarkeit |
Konsortium: | Maximal 5 Verbraucher | Unbegrenzte Anzahl im Wirkungsbereich des gleichen Höchstspannungsknotens |
Bedarf: | 1.500 MW SOL 1.500 MW SNL | 750 MW SOL 750 MW SNL Die Mengen werden von der BNetzA festgelegt. Bis 2018 ist eine Erhöhung möglich, ab 2018 ist eine Erhöhung oder Verringerung bis Juli 2022 möglich. |
Ausschreibungszeitraum: | Monat | Woche |
Maximaler Leistungspreis: | 2.500 € pro MW und Monat | 500 € pro MW und Woche |
Maximaler Arbeitspreis: | 400 € pro MWh | 400 € pro MWh |
Lastcharakteristik / minimale Lastaufnahme: | Dauerhafte, konstante Leistungsaufnahme über einen Monat erforderlich/Mindestlast darf nicht unterschritten werden | Änderung der Leistungsaufnahme im Viertelstundenraster jederzeit möglich/Mindestlast darf nicht unterschritten werden |
Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, müssen Anbieter von abschaltbaren Lasten ähnlich wie auf dem Regelenergiemarkt eine Präqualifikation durchführen, die sie zur Bereitstellung von SOL und SNL qualifiziert. Eine Erstpräqualifikation nimmt im Optimalfall etwa zwei Monate in Anspruch.
Die Mindestleistung zur Bereitstellung von abschaltbaren Lasten beträgt 5 MW.
Hierfür muss zunächst die Anbindung der stromverbrauchenden Anlagen ans Stromnetz geprüft werden. Diese darf „maximal zwei Umspannungen zum Höchstspannungsnetz“ betragen und muss „im physikalischen Wirkungsbereich des gleichen Höchstspannungsknotens des deutschen Übertragungsnetzes liegen.“
Sind diese Kriterien erfüllt, muss die Mindestverfügbarkeit sichergestellt werden: Die angebotene abschaltbare Leistung muss an 552 Viertelstunden pro Woche (entspricht 138 Stunden pro Woche) zur Verfügung stehen – 120 Viertelstunden (30 Stunden) Nichtverfügbarkeit sind möglich. Nach einem Abruf ist es möglich die Verfügbarkeit rauszunehmen, so dass Nachholeffekte kompensiert werden können.
Pro Woche müssen mindestens 16 Viertelstunden abschaltbare Leistung erbracht werden können. Diese müssen für mindestens vier Viertelstunden, maximal 32 Viertelstunden am Stück zur Verfügung stehen. Auch möglich sind Abrufe von bis zu einer Stunde mit mehreren kurzen Abrufen von mindestens einer Viertelstunde.
Die Ausschreibungen für SOL und SNL erfolgen wöchentlich bei den ÜNB; die ersten Ausschreibungen wurden im März 2017 durchgeführt. Ausgeschrieben werden jeweils 750 MW SOL und 750 MW SNL mit einer Abrufdauer zwischen einer und 32 Viertelstunden. Die Leistungspreise sind bei 500 Euro pro MW pro Woche gedeckelt, der Arbeitspreis bei maximal 400 Euro pro MW pro Abruf.
Die Gebote für die ausgeschriebenen abschaltbaren Lasten werden über eine gemeinsame Internetplattform auf regelleistung.net abgegeben. Nach Ablauf der Gebotsfrist sind die gebotenen Preis für die Folgewoche bindend und werden anonymisiert veröffentlicht. Die aktuellen Ausschreibungstermine können dem Ausschreibungskalender von regelleistung.net entnommen werden: Zur Seite.
Bei einem Abruf werden die Lasten ferngesteuert und durch den Übertragungsnetzbetreiber abgeschalten. Die Kommunikation zwischen Anbieter und ÜNB läuft über ein elektronisches Kommunikationsverfahren, über den Lastmanagement-Server (LaMaS) und den Anbieterclient (ALadIn). ALadIn steht kurz für Abschaltbare Lasten der Industrie und ermöglicht eine sichere Kommunikation zwischen ÜNB und Anbieter. Die Nutzung von ALadIn ist kostenlos, allerdings können bei der Integration und Nutzung Kosten anfallen, welche die Anbieter von abschaltbaren Lasten selbst tragen müssen.
Zur Teilnahme an der Abschaltverordnung eignen sich Prozesse, die:
Nach Auskunft des ÜNB Transnet BW lässt sich der Bedarf an abschaltbarer Leistung derzeit nicht von präqualifizierten Anbietern decken (Stand 03/2017). Auch deshalb dürfte sich die Bundesregierung entschlossen haben, die AbLaV in ihrer 2016er-Version deutlich liberaler und offener bei den Markteintrittshürden zu gestalten.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
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