Die Begriffe Grünstrom, Ökostrom und Naturstrom werden oftmals synonym benutzt. Es gibt keine einheitliche Definition oder festgeschriebenen Kriterien. Da die Begriffe gesetzlich nicht geschützt sind, werden sie für verschiedene Arten von Strom oder Stromzusammensetzungen verwendet.
In Deutschland existiert keine Legaldefinition des Begriffs Ökostrom. In Österreich hingegen ist der Begriff näher im Ökostromgesetz definiert und zwar als „elektrische Energie aus erneuerbaren Energieträgern“ (ÖSG §5).
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) versteht unter Ökostrom elektrische Energie, die mindestens zu 50% aus erneuerbaren Energien stammt und die restlichen Prozent aus KWK-Anlagen bezieht.
Doch auch schon beim Begriff der erneuerbaren Energien gibt es verschiedene Definitionen: Beispielsweise werden einige Wasserkraftwerke von Umweltschutzorganisationen aus den Erneuerbaren ausgeschlossen, da sie weitreichende Folgen für die Umwelt haben (bspw. der Drei-Schluchten-Damm in China).
Diese definitorischen Ungenauigkeiten sorgen, insbesondere bei Endverbrauchern, für Verwirrung. Um der Undurchsichtigkeit entgegenzuwirken gibt es Zertifikate, Herkunftsnachweise, Labels oder Gütesiegel, die Grünstrom ausweisen.
In Deutschland gilt zudem die Stromkennzeichnungspflicht. Lieferanten von Strom sind nach § 42 EnWG verpflichtet die Stromzusammensetzung zu kennzeichnen. Details und Hintergründe kann man im Leitfaden „Stromkennzeichnung“ des BDEW nachlesen.
Auf der Stromrechnung werden EEG-finanzierte erneuerbare Energien und sonstige erneuerbare Energieträger getrennt aufgeführt. Für sonstige erneuerbare Energieträger, sprich die Kennzeichnung von Ökostrom, müssen Herkunftsnachweise beim Herkunftsnachweiseregister des Umweltbundesamtes entwertet werden. Da jeder Stromverbraucher mit dem Strompreis auch die EEG-Umlage bezahlt, ist diese bei allen Stromprodukten in der Kennzeichnung mit aufgeführt. Die Stromkennzeichnung eines Ökostromprodukts enthält daher immer mindestens zwei Komponenten: Erneuerbare Energien, finanziert aus der EEG-Umlage, und sonstige erneuerbare Energien für welche Herkunftsnachweise erworben worden sind.
Da die Kennzeichnung von Ökostrom recht kompliziert ist und es neben der verpflichtenden Stromkennzeichnung über HKNs noch weitere Kennzeichnungen gibt, gehen wir nun näher darauf ein.
Nach der neuesten Marktanalyse des Umweltbundesamts nahm das Angebot an und die Nachfrage nach Ökostromprodukten in den letzten Jahren zu. 2017 führten knapp 80% der Stromanbieter ein Ökostromprodukt in ihrem Angebotsportfolio. Auch auf der Nachfrageseite fand ein Anstieg statt: 2018 wurden Herkunftsnachweise im Umfang von 100 TWh entwertet, 22% mehr als 2013.
Ein Grund für die gestiegene Nachfrage ist das gewachsene Bewusstsein für Themen des Klimaschutzes in der Bevölkerung. Ein Ökostromprodukt bietet die Möglichkeit sich selbst aktiv für eine grünere Stromerzeugung einzusetzen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu unterstützen. Für stromverbrauchende Unternehmen ist der Bezug von Ökostrom zusätzlich ein Aushängeschild, das für Marketing-Zwecke genutzt werden kann.
Doch um den realen Beitrag eines Ökostromprodukts zum Klimaschutz einschätzen zu können, braucht es eine verlässliche Kennzeichnung von Ökostromprodukten.
In der Regel bestehen die Ökostromprodukte aus mindestens zwei Komponenten: der physischen Stromlieferung und einem Herkunftsnachweis über genau die Menge des gelieferten Stroms. Außerdem ist in einigen Produkten ein Zusatznutzen enthalten, da ein reiner Bezug von Ökostrom oftmals den tatsächlichen Strommix in Deutschland beziehungsweise Europa kaum verändert.
Eine physische Belieferung mit Grünstrom ist nur in den seltensten Ausnahmefällen möglich. Warum? Um einen Verbraucher mit 100% Grünstrom aus einer EE-Anlage physisch beliefern zu können, müsste unter Umgehung des öffentlichen Stromnetzes ein Stromkabel zwischen der EE-Anlage und dem Verbraucher gelegt werden, da an das öffentliche Stromnetz nicht nur EE-Anlagen angeschlossen sind, sondern natürlich auch konventionelle Kraftwerke. Umgekehrt ist es übrigens auch nicht (mehr) möglich, nur noch konventionellen Strom aus Kohle- oder Atomkraft physisch zu beziehen. Das öffentliche Stromnetz transportiert eben eine Mischung aus Grünstrom und konventionellem Strom – über ein Jahr gesehen ergibt diese „Mischung“ eben den bundesdeutschen Strommix, der wiederum in der Stromkennzeichnung abgebildet ist.
Herkunftsnachweise erfüllen den Zweck Erneuerbare Energiequellen gegenüber Letztverbrauchern in der Stromkennzeichnung nachzuweisen und zu garantieren.
Ein HKN entsteht, wenn in einer vorher registrierten Erneuerbare-Energien-Anlage Strom in der Höhe von 1000 kWh erzeugt wird. Der Anlagenbetreiber erhält dafür einen Herkunftsnachweis auf eine Art Konto ausbezahlt. Das Konto ist nicht bei der Bank, sondern in einem speziellen Herkunftsnachweisregister. In Deutschland wird dieses Register vom Umweltbundesamt betrieben.
Jedes Land in Europa hat ein eigenes HKN-Register. Durch Abstimmungen zwischen den Ländern können HKN über Ländergrenzen hinweg gehandelt werden. Um die Herkunft nachzuweisen werden in Deutschland und Europa die Zertifikate des European Energy Certificate System (EECS-GoO) genutzt, welche das RECS (Renewable Energy Certificates System) in Europa 2016 abgelöst hat. Wenn wir in Deutschland über Ökostrom sprechen, dann ist das Strom welcher mindestens EECS-GoO Zertifikate im HKNR als Herkunftsnachweis entwertet hat.
Im HKN sind Informationen, wie der Anlagentyp, die Energiequelle, der Ort und weitere anlagenspezifische Informationen festgeschrieben. Der Anlagenbetreiber kann dieses Zertifikat weiterverkaufen. Voraussetzung für den Erhalt von HKNs in Deutschland ist allerdings, dass sich die Anlage in der sonstigen Direktvermarktung befindet und der Anlagenbetreiber keine Förderungen über das EEG erhält. Grund hierfür ist das Doppelvermarktungsverbot, das verhindert, dass Strom als Ökostrom vermarktet wird und zusätzlich Förderungen über das EEG erhält (er hat ja schließlich schon eine Belohnung für die grüne Qualität erhalten).
Herkunftsnachweise ermöglichen es virtuell, also entkoppelt vom tatsächlichen physischen Produkt, Ökostrom zu kaufen. Konkret bedeutet dies: ein Anbieter eines Ökostromprodukts kann seinen Strom aus konventionellen Quellen beziehen und ihn mit Hilfe von gekauften Herkunftsnachweisen „grün machen“. Dies ist einer der großen Kritikpunkte an den EECS-GoO-Zertifikaten. Problematisch ist ebenfalls, dass keine Verpflichtungen für einen Neubau von EE-Anlagen in den EECS-GoO Zertifikaten beinhaltet sind und so kein Beitrag zur Energiewende geleistet wird. Der Zusatznutzen fehlt.
Deutschland importiert die meisten Herkunftsnachweise, da die Nachfrage nach HKNs innerdeutsch nicht gedeckt werden kann. Ein Großteil der HKNs stammt aus norwegischen Wasserkraftwerken. In der Regel stammen sie aus Wasserkraftwerken, die keine EEG-Vergütung (mehr) erhalten, seltener auch aus Biomasseanlagen oder aus On-Shore-Windkraftanlagen. In den letzten Jahren hat der Anteil an deutschen HKNs leicht zugenommen.
Während die EECS-GoO –Zertifikate im europäischen Markt eingesetzt werden, existieren weitere Zertifikate weltweit, die die Herkunft des Stroms aus erneuerbaren Quellen belegen. Bekannt sind beispielsweise die Renewable Energy Certificates (RECs), die ähnlich wie auch die EECS-GoO funktionieren, bestimmte Standards nachweisen und nahezu weltweit gehandelt werden.
2019 wurde das Regionalnachweisregister eingeführt, welches ähnlich zum Herkunftsnachweisregister aufgesetzt wurde und vom UBA betrieben wird. Regionalnachweise gibt es nur in Deutschland. Von einer Betonung der Regionalität erhofft das BMWi sich die Akzeptanz der Erneuerbaren weiter zu steigern sowie die regionale Vermarktung von Ökostrom stärker zu fördern.
Für eine regionale Grünstromkennzeichnung müssen sich Erzeuger und Verbraucher innerhalb eines Radius von 50 Kilometern rundum das Gemeindegebiet (PLZ-Gebiet) befinden. Beispielsweise bedeutet das für Berlin, welches von einem großen Postleitzahlengebiet umgeben ist, dass der tatsächliche Radius der regionalen Grünstromkennzeichnung sehr groß ist. Gleichzeitig stellt diese Regelung die Möglichkeit dar, dass auch in großen Ballungsräumen die Chance besteht Regiostrom zu vermarkten. Regionalnachweise werden im Gegensatz zu HKN nur von Anlagen mit EEG-Vergütung generiert und sie können auch nur für die Begrünung des EEG-Anteils der Grünstromkennzeichnung verwendet werden.
Bisher wurden die Regionalnachweise nur zaghaft in Regiostromtarife umgesetzt. Mehr Fakten und Hintergründe finden Sie in unserem Wissensartikel zur regionalen Grünstromkennzeichnung und Regionalnachweisen.
Der Unterschied zwischen Zertifikaten und Gütesiegeln ist, dass bei den hier vorgestellten Gütesiegeln über Zusatznutzen garantiert wird, dass der Bezug des Ökostromprodukts aktiv die Energiewende unterstützt.
Es gibt vier große Gütesiegel, die Stromtarife auszeichnen, die zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Zusätzlich wird bei diesen Gütesiegeln gefordert, dass die Anbieter den Ausbau der Erneuerbaren fördern. Die größte Institution für die Grünstrom-Gütesiegel ist der TÜV. TÜV Nord und TÜV Süd vergeben unabhängige Siegel. Ebenfalls vertrauenswürdige und unabhängige Siegel für Grünstrom sind das Grüne Strom Label oder das ok-power Siegel. Die Siegel unterscheiden sich in ihren Zusatznutzen.
Während Angebot und Nachfrage nach Ökostromprodukten in den letzten Jahren angestiegen sind, benutzen immer weniger Versorger eines der Ökostromsiegel. Dies fand der Ökostromanbieter Polarstern bei einer Studie heraus. Während 2016 noch 40,98 % der zugelassenen Tarife ein Gütesiegel für Ökostrom trugen, sank der Anteil 2017 auf 34,87 %, 2018 auf 31,38 % und wird für 2019 auf 26% geschätzt.
Den Grund für die Abnahme sieht der Ökostromanbieter darin, dass der Ökostrombegriff nicht geschützt ist und für die Ökostrom-Vermarktung auf ein Gütesiegel verzichtet werden kann. Außerdem ist die Kennzeichnung von Ökostrom so kompliziert geworden, dass einige Ökostromanbieter bewusst auf ein Siegel verzichten.
Oft sind es über die Stromkennzeichnung hinausgehende Zusatznutzen, die ein Ökostromprodukt bzw. einen Ökostromtarif befähigen die Energiewende voranzutreiben. Zusatznutzen sind in der Regel an den Kauf von Ökostrom gekoppelte Leistungen, wie beispielsweise der aktive Ausbau von Erneuerbaren Energien durch den Lieferanten des Ökostroms, Regionalität des Anbieters oder Unterstützung von zusätzlichen Projekten des Klima-, Umwelt- oder Naturschutzes.
Die bereits erwähnte Marktanalyse des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass die meisten Zusatzmerkmale von Ökostrom auf eine gute Vermarktung abzielen. Dies führt dazu, dass Zusatzmerkmale, die ein tieferes Verständnis von energiewirtschaftlichen Themen verlangen, seltener sind, als Themen, die sich einfacher und besser vermarkten lassen.
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Die vorgestellten Kennzeichnungen von Grünstrom liefern ein bilanzielles Produkt: es wird garantiert, dass die bezogene Menge an Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wurde. Der verbrauchte Strom kommt in der Regel aus der Steckdose und ist demnach Graustrom, also ein Mix an Strom aus verschiedenen Quellen (erneuerbaren und konventionellen).
Um tatsächlich physischen Grünstrom zu beziehen, würde ein eigenes Stromnetz lediglich für Grünstrom benötigt werden. In Deutschland ist dies bisher nicht möglich, da es weder ein eigenes Grünstromnetz noch eine eigene Börse für grünen Strom gibt.
Abhilfe können jedoch Power Purchase Agreements (PPAs) schaffen. Sie sind bilaterale Stromlieferverträge, die meist zwischen einem Stromproduzenten und einem Stromabnehmer geschlossen werden. Sie ermöglichen es Ökostrom bilanziell oder sogar, im Falle von on-site PPAs, physisch zu beziehen.
An PPAs können beispielsweise Herkunftsnachweise gekoppelt sein, regionale Eigenschaften oder das Nutzen von bestimmten Technologien zur Stromerzeugung.
Mit einem Auslaufen der EEG-Förderung werden PPAs als Chance gesehen den Weiterbetrieb von EE-Anlagen zu finanzieren. Mit einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren und einem Sinken der EEG-Unterstützung bieten PPAs die Perspektive, auch in Deutschland, den Bau von Neuanlagen ohne Förderung finanziell zu unterstützen. In diesem Falle hat Strom, der über PPAs bezogen wird, den Zusatznutzen den Ausbau der Erneuerbaren an einem bestimmten Standort direkt zu unterstützen. PPAs können daher in der Zukunft ein mächtiges Mittel sein den Beitrag von Ökostromprodukten zur Energiewende zu erhöhen.
Erfahren Sie mehr über PPAs in unserem PPA Wissensartikel.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.