Der Netzbetrieb verantwortet den Stromtransport und ist das erforderliche Bindeglied zwischen Stromerzeugern und Stromverbrauchern. In Deutschland existieren vier Netzebenen: Höchstspannungsnetz, Hochspannungsnetz, Mittelspannungsnetz und Niederspannungsnetz. Diese werden von zahlreichen Dienstleistungsunternehmen betrieben, die sich grob in zwei Kategorien einteilen lassen: Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), die überregionale Netze bewirtschaften, und Verteilerlnetzbetreiber (VNB), die auf regionaler und lokaler Ebene arbeiten.
Neben der Instandhaltung und Optimierung der Infrastruktur bieten die Netzbetreiber verschiedenste Systemdienstleistungen an – beispielsweise Regelenergie– und tragen zur konstanten Stromversorgung in Deutschland bei.
Neue elektrotechnische Erkenntnisse markierten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts den Startschuss für die flächendeckende Elektrifizierung. Anfänglich wurden nur urbane und industrielle Zentren mit Strom, der vornehmlich der Beleuchtung diente, ausgestattet. Neu gegründete Unternehmen für Elektrotechnik, wie die AEG aus Berlin oder die Helios AG aus Ehrenfeld, heute Stadtteil Kölns, leisteten mit ihren Produkten Pionierarbeit und trugen europaweit zur Elektrifizierung bei. Doch wie entstand das heutige Stromnetz?
Zunächst wurde der Stromfluss durch einen autonomen Inselbetrieb gewährleistet. Stromerzeugung und –verbrauch befanden sich dabei in räumlicher Nähe und waren zu einem kleinteiligen Stromnetz vereint. Diese Versorgungsinseln wurden zwischen 1880 und 1900 mit Gleichstrom (auch: DC – direct current) bewirtschaftet. Im Falle eines Kraftwerksausfalls gab es so jedoch keine Absicherung: Kein anderes Kraftwerk konnte einspringen und die Versorgung sicherstellen. Auf lange Sicht waren solche Versorgungsinseln daher unsicher und unwirtschaftlich. Um eine dauerhaft funktionierende Stromversorgung herzustellen, bedurfte es also einer neuen, vernetzten Infrastruktur. Der Weg von der dezentralen Isolationsversorgung führte so zwangsläufig zur zentralisierten Partizipationsversorgung: dem Verbundnetz.
Mit der Verbindung einzelner Inselnetze wurde die Stromversorgung stabiler. Auf Differenzen zwischen Stromangebot und –nachfrage konnten die Kraftwerke nun flexibel reagieren. Das Verbundnetz wurde zudem mit Wechselstrom (auch: AC – alterning current), der einfacher zu produzieren und umzuwandeln ist, betrieben. Dazu waren jedoch Transformatoren (Trafos) zur Spannungswandlung, beispielsweise in Hochspannung für den Transport über lange Strecken oder Niederspannung für den Haushalt, notwendig.
Während der Hochindustrialisierung stieg der Strombedarf enorm. Gleichzeitig wurde eine störungsfreie Stromversorgung mit der wachsenden Zahl der Verbraucher und der Anwendungsmöglichkeiten von elektrischer Energie immer wichtiger.
In der Folge errichteten alle Industriestaaten viele neue Kraftwerke, die über weitläufigere Strecken vernetzt wurden und durch den Leistungs- und Entfernungszuwachs mit einer höheren Spannung betrieben werden mussten. Auch sollten Übertragungsverluste minimiert werden. So entstanden allmählich die heute üblichen Spannungsebenen:
Neben den kleineren Transformatoren-Stationen, die lokale und regionale Netze miteinander koppeln, mussten zusätzlich Umspannwerke mit größeren Transformatoren installiert werden, um den Strom in die höheren Spannungen transformieren zu können. In dieser Zeit etablierte sich übrigens die heute noch übliche Netzfrequenz von 50 Hertz.
Erst in den 1950er Jahren war das bundesdeutsche Verbundnetz dem internationalen Standard entsprechend vollkommen auf Wechselstrom umgerüstet. Gleichstrom fließt nur noch recht selten durch deutsche Stromleitungen, etwa bei Seekabeln oder teilweise beim Bahnverkehr. Doch erweist sich Gleichstrom bei sogenannten Stromautobahnen, den Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungen (HGÜ), als vorteilhaft, um beispielsweise überschüssigen Windstrom von der Nordsee über Stromtrassen in den Süden zu befördern. Da der Strom hunderte Kilometer in eine Richtung fließt, bedarf es keiner Transformatoren, so dass der Strom bei gleicher Spannung transportiert werden kann. Europaweit existieren bereits einige dieser HGÜ – und weitere sind in Arbeit bzw. Planung. Damit sind sie wichtiger Bestandteil eines kommenden europäischen Supergrids.
Die Netzbetreiber sind für die Balance aus Stromproduktion und Stromverbrauch verantwortlich: Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) für die überregionalen Übertragungsnetze und Verteilernetzbetreiber (VNB) für die regionalen und lokalen Verteilernetze. Die Netzbetreiber garantieren ihren Kunden einen diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Netzen. Übertragungs- und Verteilernetze bilden natürliche Monopole. Aus diesem Grund kontrolliert und reguliert die Bundesnetzagentur (BNetzA) als staatliche Behörde den bundesdeutschen Netzbetrieb. Derzeit existieren 887 Netzbetreiber in Deutschland (Stand: 28.11.2016).
Die Grundstrukturen des heutigen Netzbetriebes finden sich in den Anfängen der Elektrifizierung: Die damaligen Provinzen des Deutschen Kaiserreiches vergaben Konzessionen mit langen Laufzeiten an Stromunternehmen, die für die Infrastruktur und den Betrieb verantwortlich waren. Dies führte zu Monopolstellungen und strikt abgetrennten Versorgungszonen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts fusionierten die meisten Energieversorger, an deren Ende sich 2002 schließlich die vier großen Energieversorgungsunternehmen (EVU) – RWE, E.ON, Vattenvall Europe und EnBW – formierten. Auch geschah dies als Reaktion auf die EU-Verordnung zur Strommarktliberalisierung 1998. Mit dem Unbundling 2009 kam es zur Entflechtung von EVU und Netzbetrieb. Die jahrzehntealten, starren Strukturen sollten sich so flexibilisieren und volkswirtschaftlicher orientieren. In diesem Zuge entstanden die beiden Netzbetreibertypen. Aber wie unterscheiden sich Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und Verteilernetzbetreiber (VNB) nun genau?
In Europa gibt es, mit Ausnahme von Großbritannien und Deutschland, pro Staat nur einen Übertragungsnetzbetreiber. In Deutschland arbeiten hingegen, historisch bedingt, die vier ÜNB – Amprion, 50Hertz Transmission, TenneT und TransnetBW – vornehmlich in ihren geografisch definierten Regelzonen. Die Stromkreislänge erstreckt sich auf insgesamt 35.000 km Länge und ist zusätzlich mit den grenzüberschreitenden Netzen europäischer ÜNB verbunden.
Die ÜNB koordinieren und steuern den Stromfluss auf höchster Spannungsebene. Um dabei den ungehinderten Betrieb realisieren zu können, sind Systemleistungen wie beispielsweise Regelenergie notwendig. Bilanzkreise, die stets einen ausgeglichenen Saldo vorweisen müssen, unterliegen der ÜNB-Aufsicht: Bei einem Missverhältnis aus Einspeisung und Ausspeisung sorgen die ÜNB dafür, dass Regelenergie unser Stromnetz stabilisiert. Sie reparieren, erneuern und bauen die Infrastruktur (z.B. Stromleitungen, Umspannwerke, Seekabel) aus, um den aktuellen Anforderungen zu entsprechen.
Bereits 1951 entstand ein einheitliches europäisches Verbundnetz, um den Stromtransport länderübergreifend gestalten zu können. Im Laufe der Zeit synchronisierten sich weitere Übertragungsnetze und sogar ein ganzes Verbundsystem (CENTREL, 1995). Mit der Liberalisierung des Strommarktes nannte sich das Konsortium fortan: Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity (UCTE). Sie besteht de facto bis heute und verläuft intern vollkommen synchron.
Neben der UCTE bestehen weitere Verbundnetze in Europa: ATSOI (Irland), IPS/UPS (Baltikum), NORDEL (Skandinavien) und UKTSOA (Großbritannien). Allesamt sind sie seit 2009 im Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber – European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E) – organisiert. Insgesamt handelt es sich dabei um 42 europäische Übertragungsnetzbetreiber. Ein verbundnetzübergreifender Austausch über regulären Wechselstrom ist indes nicht möglich. Die Verbundnetze verhalten sich nämlich asynchron zueinander. Lediglich Gleichstromleitungen garantieren einen (minimalen) Transfer unter den Verbundnetzen. Als langfristiges Ziel gilt der paneuropäische Binnenmarkt für Strom. Dabei könnten Gleichstromlösungen vielversprechend sein.
Zurzeit sorgen 883 Verteilernetzbetreiber (auch: Verteilungsnetzbetreiber) unter anderem dafür, dass der Strom aus Höchstspannungsleitungen sowie von regionalen Produzenten zum im Einzugsbereich liegenden Verbraucher gelangt. Der Strom fließt über weitverzweigte und engmaschige Netze mit einer Gesamtstromkreislänge von 1.679.000 km. Aufgrund der Länge ist der Verteilernetzbetrieb wesentlich kostenintensiver als der Übertragungsnetzbetrieb. Die Stromflüsse sind verglichen mit denen der Übertragungsnetze allerdings geringer.
Um den einwandfreien Betrieb gewährleisten zu können, warten und modernisieren die VNB ihre Infrastruktur, beispielsweise Stromleitungen oder Trafos, kontinuierlich. Außerdem leisten sie technische Service- und Systemdienstleistungen. Das Tätigkeitsspektrum ist dabei vielfältig: Das kann mal das geplante Verbinden von Beleuchtungs- und Glasfaserkabeln, mal ein spontaner Bereitschaftseinsatz bei Störungen innerhalb des Versorgungsgebietes sein.
VNB können und dürfen nach dem Unbundling-Prinzip zwischen Stromnetz und Stromerzeugung nicht gleichzeitig Netzbetreiber und Stromversorger/Grundversorger sein. Letztere sind Stromversorgungsunternehmen, die in einem bestimmten Einzugsgebiet die meisten Stromkunden haben - oft handelt es sich dabei um die lokalen Stadtwerke. Diese Grundversorger übernehmen bei allen Stromanschlüssen im Einzugsgebiet automatisch die Stromversorgung, sofern sich der Stromkunde nicht für einen anderen Anbieter entscheidet um von diesem seinen Strom zu beziehen.
Atomkraft- und Kohlekraftwerke, die regulär in das Übertragungsnetz einspeisen, werden kontinuierlich abgeschaltet. Allerdings sind die meisten EE-Anlagen an das Verteilernetz angeschlossen (ausgenommen: große Wasserkraftwerke und Offshore-Windkraftpools). Somit obliegt die Koordination und zuverlässige Versorgung aus Erneuerbaren Energien zum Großteil den Verteilernetzbetreibern. Die Energiewende findet somit vornehmlich regional statt: Weil Strom naturgemäß immer den kürzesten Weg nimmt und um Transportverluste über längere Strecken zu minimieren, kann sich eine räumlich begrenzte Nutzung effizienter gestalten. Nichtsdestotrotz bleiben Übertragungsnetze von enormer Bedeutung, um Gegenden oder Regelzonen mit einem niedrigeren Anteil an EE-Anlagen miteinander zu vernetzen. Denn: Überschüssiger Strom aus Erneuerbaren Energien wird durch die Übertragungsnetze zu Regionen, in denen Strombedarf besteht, weitergeleitet.
Das Verteilernetz ist darüber hinaus auch als Schnittstelle für die Sektorkopplung (integrated energy) von Bedeutung. Dabei werden unterschiedliche Bereiche der Energiewelt sinnvoll miteinander verbunden, um Synergieeffekte zu realisieren. So konvertieren beispielsweise Power-to-Gas-Anlagen (PtG) überschüssigen Strom in Gas, um primär die erzeugte Energie besser speichern zu können.
Die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass sich der Netzbetrieb – nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene – einem permanenten Wandel unterzieht. Um weiterhin asynchrone Verbundnetze miteinander zu koppeln, sind Gleichstromleitungen vielversprechend. Durch Blockchain- und Speichertechnologien könnte sich der Strommarkt und somit der Netzbetrieb revolutionieren. In Hinblick auf eine flexibilisierte und effiziente Optimierung bleibt jedoch das Zusammenspiel aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Nachhaltigkeit maßgeblich.
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