Wir nehmen an: Für eine Aufgabe ist eine Anzahl von n Objekten zuständig. Fällt eines dieser Objekte aus, kommt es zu einem (n-1)-Zustand. Die (n-1)-Regel besagt nun, dass die Aufgabe immer noch erfüllt werden kann, da es zusätzliche Objekte oder Sicherheitsmechanismen gibt, die den Ausfall einer einzelnen Komponente ausgleichen können.
Das (n-1)-Prinzip muss auch bei einer maximalen Auslastung des Netzes gegeben sein. Zusätzlich muss die Spannung innerhalb der zulässigen Grenzen gehalten werden, damit die an das Netz angeschlossenen Betriebsmittel nicht überlastet werden. Konkret bedeutet dies: Wenn ein Betriebsmittel, wie eine Leitung oder ein Transformator, ausfällt, darf über keines der anderen Betriebsmittel mehr Strom als erlaubt fließen, da es sonst zu einer Überlastung oder sogar zu einem Zusammenbruch des Stromnetzes kommen kann.
Um dies zu garantieren, werden die Betriebsmittel innerhalb des Stromnetzes nur mit der Hälfte des maximal erlaubten Stroms betrieben, um bei einem Ausfall eine Reserve zur Verfügung stellen zu können.
Verantwortlich für die Herstellung der (n-1)-Sicherheit sind die Übertragungsnetzbetreiber, die für den Bau und Betrieb von Netzen verantwortlich sind.
Das deutsche Stromnetz kann in das Übertragungsnetz, das Verteilnetz, das Mittelspannungsnetz und das Niederspannungsnetz gegliedert werden.
Das Übertragungsnetz ist für die Verteilung des in Kraftwerken erzeugten Stroms in das Netz verantwortlich. Im Verteilnetz findet eine grobe Weiterverteilung der elektrischen Energie statt. Das Mittelspannungsnetz liefert die Elektrizität an regional verteilte Transformatorstationen oder direkt an große Verbraucher. Das Niederspannungsnetz verteilt die elektrische Energie schließlich an Haushalte und kleine Betriebe.
Die Übertragung der elektrischen Energie von einer Netzhierarchieebene zu einer anderen findet mit Hilfe von Transformatoren in sogenannten Umspannwerken statt. Einen Überblick darüber gibt die folgende Grafik.
Als Faustregel gilt: Ein Störfall in einem höhergelagerten Netz hat in der Regel weitreichendere Auswirkung auf die gesamte Systemstabilität und somit auf die Versorgungssicherheit, als ein Ausfall in einem Netz in einer tieferen Netzebene. Daher werden in höheren Netzebenen teilweise höhere Sicherheitsstandards als (n-1) gefordert.
Dies trifft auf einige besonders wichtige Übertragungsnetze zu , die so ausgelegt werden, dass eine höhere Sicherheit als (n-1) angewendet wird, bspw. (n-2). Dies wird insbesondere bei der Verbindung von kritischen Installationen vollzogen, deren Ausfall zu einer größeren Störung oder einer Gefahrensituation führen könnte.
Im Verteilnetz hingegen wird nicht in allen Fällen das (n-1)-Kriterium konsequent angewendet. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn eine Versorgungsunterbrechung toleriert und innerhalb kürzester Zeit behoben werden kann. Grundsätzlich gilt das (n-1)-Kriterium jedoch auf allen Netzebenen.
Auch abseits des Stromnetzes gilt das (n-1)-Kriterium im Energiesystem und Redundanzen müssen vorgehalten werden. Ein Beispiel für die (n-1)-Sicherheit im Virtuellen Kraftwerk ist das Anbieten von Regelenergie. Es darf lediglich so viel Regelenergie angeboten werden, dass die Regelenergie auch bei einem Ausfall des größten Kraftwerks im Pool erbracht werden kann.
Das Energiesystem wird immer komplexer und mehr und mehr kleine, dezentrale Erzeuger (und Verbraucher) müssen in das Netz integriert werden. Dies bedarf auch Anpassungen der Stromnetze und einen weiteren Netzausbau. Beispielsweise wird im Norden Deutschlands viel Strom aus Windenergie produziert, der mithilfe von HGÜs in andere Teile Deutschlands transportiert werden muss.
Doch dies ist gar nicht so einfach, denn der Netzausbau wird oftmals aufgrund langwieriger Genehmigungsverfahren und Widerstand aus der Bevölkerung, den sogenannten NIMBY-Bewegungen (Not In My Backyard-Bewegungen), gehemmt. Der Netzausbau hinkt dem Ausbau der Erneuerbaren Energien-Anlagen hinterher.
Bei diesem Dilemma gerät immer wieder eine Neuauslegung des (n-1)-Kriteriums in den Fokus der Debatten. Es wird diskutiert, ob eine stärkere Auslastung des Netzes unter Beibehaltung der Versorgungssicherheit möglich ist und wie dies organisiert werden könnte.
Denn das Netz, wie oben beschrieben, ist nicht komplett ausgelastet. Im Normalfall werden 50 bis 70 Prozent der Kapazität genutzt. Statt einer präventiven (n-1)-Regel soll eine Neuauslegung hin zu einer reaktiven (n-1)-Regel geprüft werden. Dies bedeutet konkret: Statt immer für den Fall einer Störung große Mengen der Kapazität des Stromnetzes zurückzuhalten, sollen die Netze stärker ausgelastet werden und Mechanismen zur Wahrung der Versorgungssicherheit im Falle einer Störung (reaktiv) greifen.
Der Vorteil wäre, dass bei einer höheren Auslastung der Netze erhebliche Kosten für den Netzausbau und das Netzengpassmanagement eingespart werden könnten. Man nutzt ja schließlich bereits vorhandenen Infrastruktur. Allerdings ist die Umsetzung einer höheren Netzauslastung ohne Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit eine Herausforderung.
Eine mögliche Lösung kann eine intelligente Steuerung der Netze mit Hilfe von KI und Smart Grids sein. In der automatischen Netzführung könnte effizienter geprüft werden, welche Leitung bereits stark beansprucht wird und wo noch Kapazitäten zum Ausweichen frei wären.
Eine weitere Strategie wäre das verstärkte Nutzen von Flexibilitäten im Stromsystem, die im Falle einer Störung sehr schnell und flexibel einspringen können und gleichzeitig eine höhere Auslastung der Netze ermöglichen. Insbesondere wird hier das Potenzial von sehr großen Batterien, sogenannten Superbatterien, diskutiert.
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) schlägt in ihren Studien zur Zukunft des deutschen Stromnetzes als Lösung eine Kombination aus Netzausbau, Netzengpassmanagement über die Systemdienstleistungen und eine höhere Auslastung des Stromnetzes vor.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.