Das Betriebsgelände der Geothermieanlage nahe Garching an der Alz blitzt und glänzt selbst durch den Frühnebel der bayrischen Ebene. Alles ist brandneu, denn erst seit März 2021 speist die Anlage ihren Strom in das öffentliche Netz ein. Als eines von rund einem Dutzend Geothermiekraftwerken der Megawattklasse in Deutschland gilt das Projekt als zukunftsweisend für die Energiegewinnung aus Erdwärme. Die Produktionsbohrung mit einer Tiefe von fast 4000 Meter ermöglicht die Förderung von 125 l/s Thermalwasser mit einer Temperatur von 123 Grad Celsius, als Grundlage für den nachfolgenden Strom- und Wärmegewinnungsprozess.
Bei der ORC-Anlage handelt sich um eine Stromerzeugungsanlage mit drei Kreisläufen: Im ersten Kreislauf wird das heiße Thermalwasser von der Produktionsbohrung über die Wärmetauscher zur Re-Injektionsbohrung geführt. Über die Wärmetauscher wird im zweiten Kreislauf thermische Energie aus dem Thermalwasser aufgenommen, mit deren Hilfe eine Turbine angetrieben wird. Die Turbine treibt wiederum einen Generator an, der den Strom mit bis zu 5,3 MWel produziert. Im dritten Kreislauf wird Wasser aus dem Alzkanal zur Kühlung verwendet. Der wesentliche Vorteil der OCR-Anlage besteht darin, dass die heimische Ressource Erdwärme effizient genutzt werden kann – bei vergleichbar hoher Stromerzeugung und mit nur geringem Eigenstromverbrauch. Dies trägt nicht nur dem Gedanken Erneuerbare Energie Rechnung, sondern stellt auch eine echte Innovation in der Geothermie dar.
Mit einer Leistung von max. 5,3 MWel versorgt das Geothermiekraftwerk etwa 14.000 Haushalte mit Strom, ohne CO2 oder andere Schadstoffe auszustoßen. Die Anlagenverfügbarkeit unter Volllast liegt bereits kurz nach Inbetriebnahme in manchen Monaten bei erstaunlichen 98%.
Für Christian Steinbauer von Silenos Energy, Betreiber der Anlage, war schnell klar, dass das Geothermiekraftwerk Teil eines Virtuellen Kraftwerks werden sollte: „Ich verfolge die Entwicklung von Virtuellen Kraftwerken schon länger mit Interesse. Als grundlastfähige Anlage, die zudem über Flexibilität verfügt, ergänzt Geothermie viele der anderen Energieträger im Strommix“.
Schon vor der Inbetriebnahme des Kraftwerks setzten Next Kraftwerke und Silenos Energy die gesetzlich vorgeschriebene Fernsteuerbarkeit des Geothermiekraftwerks um, wobei die Fernwirktechnik in den bereits bestehenden Parkregler eingebunden ist. So war die Direktvermarktung am Spotmarkt der Strombörse ab der ersten produzierten und eingespeisten Megawattstunde möglich. „Wir haben drei Direktvermarkter angefragt und verglichen, dabei hat Next Kraftwerke das wirtschaftlich attraktivste Angebot vorgelegt“, ergänzt Christian Steinbauer. Zusätzlichen Aufwand sieht er in der Direktvermarktung nicht. „Wir melden geplante und ungeplante Ausfälle der Anlage, das war es schon. Die Abrechnung und Zahlung der eingespeisten Strommengen erfolgt immer pünktlich und korrekt, auch die Kundenbetreuung ist gut erreichbar. Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Next Kraftwerke.“
Der nächste Schritt hin zur vollständigen Strommarktintegration der Anlage liegt darin, das Flexibilitätspotenzial der Geothermietechnologie zu nutzen. Denn für die zweite Hälfte der Energiewende ist nicht nur der weitere Ausbau von Grünstromkapazitäten entscheidend – den das Geothermiekraftwerk Garching a.d. Alz übrigens durch eine geplante maßgebliche Erweiterung der Kapazität ebenfalls unterstützen wird. Eine zentrale Aufgabe ist auch der Ersatz fossiler Flexibilitätslieferanten, die das Stromnetz im Falle von Frequenzschwankungen stabil halten können. Denn gerade diese Schwankungen werden mit dem starken Zubau der volatilen Energieträger Windkraft und Photovoltaik weiter zunehmen. „Wir haben die interne technische Prüfung für die Bereitstellung von Flexibilität, konkret für Regelenergie, begonnen. Sowohl die Tauchkreiselpumpe in 600 Meter Tiefe als auch die Turbine hier oben sind prinzipiell stufenlos regelbar. Wir fahren nun Tests, ob wir das volle Band der Pumpe regeln werden oder nur ein Teilband. Danach können wir hoffentlich bald in die Präqualifikation der Anlage bei den Übertragungsnetzbetreibern einsteigen“, erklärt Christian Steinbauer, nicht ohne auf die komplexen energiewirtschaftlichen und steuerrechtlichen Vorgaben zu verweisen, die der Geothermie als Neuling im Konzert der Erneuerbaren gemacht werden und die manche Prozesse verlangsamen. Auch hier ist viel Flexibilität gefragt, wenn auch nur sprichwörtlich.
Turbinen- und Generatorleistung: | maximal 5,3 MWel |
Bohrungstiefe Produktions- und Injektionsbohrung (True Vertical Depth): | je 3840 m |
Länge der Bohrung (Measured Depth): | je 5000 m |
Rohrdurchmesser Tiefenbohrung: | 18 5/8“ an Erdoberfläche und 8 ½ “ Open Hole im Reservoir |
Fördervolumen: | 450 m³ / h |