„Das Mischpreisverfahren führt zu mehr extremen Netzsituationen, treibt die Gesamtkosten für den Regelleistungsmarkt in die Höhe und benachteiligt Cleantech-Lösungen“, bilanziert Hendrik Sämisch, Gründer und Geschäftsführer von Next Kraftwerke, nach 100 Tagen Mischpreisverfahren auf dem Regelenergiemarkt.
Seit dem 16. Oktober 2018 gilt das neue Mischpreisverfahren (MPV). Sein Ziel war es, mehr Wettbewerbsdruck auf die Arbeitspreise in den Regelenergieauktionen auszuüben, um sehr hohe Arbeitspreise zu verhindern. Während im alten Modell der Zuschlag nach der Höhe der Leistungspreise vergeben wurde, fließt im MPV neben dem Leistungspreis nun auch anteilig der Arbeitspreis in den Zuschlagswert ein. In der praktischen Umsetzung zeigt sich, dass zwar die Arbeitspreise sinken. Dieser positive Effekt wird jedoch durch andere negative Effekte gänzlich aufgefressen.
„Aus unserer Sicht besonders Besorgnis erregend ist, dass extreme Netzsituationen seit der Einführung des MPV deutlich zugenommen haben“, sagt Sämisch. Bis zur Einführung des MPV gab es im Jahr 2018 nicht eine Situation, in der mehr als 80 Prozent der verfügbaren Regelenergie abgerufen wurde. Seit Einführung des MPV gab es bereits 33 Viertelstunden, in denen dies der Fall war. Der Grund dafür ist, dass im MPV die Aktivierung von Regelenergie zum Ausgleich der eigenen Portfolioungleichgewichte für Energieversorger günstiger ist als der Ausgleich über den Intraday-Handel. In der Folge wird mehr Regelenergie abgerufen, da Ungleichgewichte seltener durch kurzfristigen Handel beseitigt werden.
Zweitens sind die Gesamtkosten für den Regelleistungsmarkt nach 100 Tagen bereits um 37 Prozent auf 80 Mio EUR/Jahr gestiegen. Die Leistungspreise sind gar um den Faktor 3,6 gestiegen. Damit sind auch die Kosten für die Verbraucher gestiegen, denn sie zahlen die Leistungspreise über die Netznutzungsentgelte.
Drittens wirkt sich das MPV nachteilig für Cleantech-Lösungen aus. Sie haben im neuen Marktdesign keine Chance, denn sie zeichnen sich typischerweise durch relativ hohe Arbeits- und niedrige Leistungskosten aus. Beispiele sind gepoolte Biogas-Anlagen aber auch Demand-Side-Management-Lösungen. „Das ist tragisch. Denn sie sind als 'Peaker', also Spitzenlastkraftwerke, innerhalb der Regelenergie ökonomisch effizient dazu geeignet, in seltenen Situationen zu liefern. Fallen die Einnahmen mittelfristig weg, werden Investitionen in Cleantech-Lösungen in Zukunft nicht mehr getätigt. Dies schwächt das wettbewerbliche Umfeld auf dem Regelenergiemarkt und führt zu einer weiteren Konzentration von Marktmacht auf konventioneller Seite. Das Marktdesign des Mischpreisverfahrens bevorzugt also CO2-intensive Energieträger, deren Ablösung ja eigentlich das Ziel der Energiewende ist“, erklärt Sämisch.
Um die Netzsituation zu entspannen, die Gesamtkosten zu senken und Cleantech-Lösungen wieder eine Chance am Markt zu geben, hat Next Kraftwerke einen eigenen Vorschlag erarbeitet, um das Mischpreisverfahren anzupassen: Eine Ablösung des einheitlichen Gewichtungsfaktors durch ein Modell, in dem Abrufwahrscheinlichkeiten bei der Bestimmung des Gewichtungsfaktors berücksichtigt werden. Alternativ plädiert das Unternehmen für eine zügige Einführung von Regelarbeitsmärkten, wie es auch die Guideline on Electricity Balancing der Europäischen Kommission fordert.
„So wie es jetzt ist, ist das Mischpreisverfahren für uns nicht akzeptabel. Es führt zu mehr extremen Netzsituationen, bremst die Energiewende und bedeutet Mehrkosten für die Verbraucher“, sagt Hendrik Sämisch. Next Kraftwerke hat bereits 2018 Beschwerde gegen das Mischpreisverfahren eingelegt. Die aufschiebende Wirkung, mit der das OLG Düsseldorf das Mischpreisverfahren zunächst gestoppt hatte, ist Mitte Oktober 2018 abgelaufen. Seitdem ist das Mischpreisverfahren in Kraft. Das Hauptsacheverfahren läuft noch.
Lotte Lehmbruck
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