Im September fand die erste EEG-Ausschreibungsrunde für Biomasse statt. Mit eher mäßigem Erfolg: Lediglich 33 Bieter nahmen an dem Verfahren teil. Entsprechend wurden von den 122 MW, die ursprünglich unter den Hammer kommen sollten, nur knapp 28 MW bezuschlagt. Ein Grund hierfür dürften die relativ niedrigen Gebotshöchstwerte und die aktuellen Wechselbedingungen für Bestandsanlagen sein. Für Neuanlagen lag der mittlere Zuschlagswert bei 14,81 ct/kWh. Bestandsanlagen erhielten im Durchschnitt einen Zuschlagswert von 14,16 ct/kWh. Dabei lag der niedrigste Gebotswert bei 9,86 ct/kWh, der höchste bei 16,90 ct/kWh. Im Interview nimmt Alexander Krautz – Teamleiter der Abteilung Politik & Forschung bei Next Kraftwerke – Stellung zu den Ergebnissen und denkt über Perspektiven für die Branche nach.
Verena Dubois: Alex, wie bewertest du die Ergebnisse der Ausschreibungsrunde?
Alexander Krautz: Die Ausschreibungsergebnisse sind ziemlich ernüchternd. Wenn man 122 MW ausschreibt, geht man natürlich davon aus, dass auch annähernd 122 MW erreicht werden. Schaut man sich aber die Struktur der Ausschreibung an und fragt, für wen die Ausschreibung eigentlich attraktiv ist, war ein solches Ergebnis schon zu erwarten: Betreiber von Bestandsanlagen, die einen Zuschlag bekommen, müssen innerhalb von drei Jahren in das neue Vergütungssystem wechseln, die ersten EEG-Anlagen haben aber bis Ende 2020 Anspruch auf ihre aktuelle Förderung, wenn Sie im Jahr 2000 oder davor erstmalig in Betrieb gegangen sind. Mit anderen Worten: Eine Bestandsanlage, die jetzt einen Zuschlag bekommt, bekommt nicht nur eine geringere Vergütung als bisher, sie verschenkt damit auch Anspruchszeit.
Verena Dubois: Das heißt, du siehst Korrekturbedarf beim Ausschreibungsverfahren?
Alexander Krautz: Teilweise wird sich das beschriebene Problem alleine über die Zeit relativieren. Schon 2018 werden die Teilnehmerzahlen wohl höher ausfallen. Auch die nicht bezuschlagten Mengen werden ja beim nächsten Mal wieder mit ausgeschrieben. Aber es gibt auch zahlreiche Biogasanlagen, die erst 2004 oder später den Betrieb aufgenommen haben. Für die ist eine Teilnahme auch im nächsten Jahr noch nicht attraktiv, da sie ihre restlichen Vergütungsjahre verlieren würden. Der Fachverband Biogas hat den Vorschlag gemacht, die noch zustehenden Vergütungsjahre hinten anzuhängen, wenn eine bezuschlagte Anlage in das neue Modell wechselt. Das wäre sicher ein guter Weg, um die Attraktivität der Ausschreibung zu erhöhen. So würde sich der Vergütungsanspruch um 10 Jahre auf gesamt 30 Jahre verlängern und die reduzierten Vergütungssätze würden schon früher die EEG-Umlage entlasten.
Verena Dubois: Auffällig ist ja, dass kaum Neuanlagen am Ausschreibungsverfahren teilgenommen haben. Gibt es hier Nachbesserungsbedarf?
Alexander Krautz: Aus meiner Sicht sollte der Fokus eher darauf liegen, Bestandsanlagen eine Perspektive zu geben. Voraussetzung hierfür ist, dass diese sinnvoll gestaltet sind – etwa mit optimalen Wärmenutzungskonzepten und flexibler Fahrweise. Diese Anlagen müssen über das Ende des Vergütungszeitraums gewinnbringend betrieben werden können. Denn die Leistung, die heute über Bioenergie bereitgestellt wird, ist ja nicht unerheblich. Sollten diese Anlagen aus dem System fallen, lässt sich das kaum kompensieren. Zumindest dann nicht, wenn wir es mit dem Ausstieg aus Atom und Kohle Ernst meinen.
Verena Dubois: Kannst du diesen Zusammenhang noch mal genauer erklären?
Alexander Krautz: Durch die fluktuierende Einspeisung von Wind und Sonne kommt es zu Schwankungen im Stromnetz. Diese müssen durch andere Energieträger abgefedert werden. Es wäre also ziemlich unlogisch, aus erneuerbaren Technologien wie Biogas auszusteigen, die das System bei der Energiewende stützen können. Dass das funktioniert, zeigen wir ja schon heute, indem wir mit den Biogasanlagen in unserem Portfolio Regelenergie anbieten. Wer soll den Job machen, wenn wir die dezentralen Anlagen vom Netz nehmen, die Systemdienstleistungen bereitstellen können? Möchten wir künftig Kapazitätsprämien an Großkraftwerke zahlen, damit diese als Reserve bereitstehen? Ich denke, das kann niemand wollen.
Verena Dubois: Woran hapert es denn momentan? Welche Stellschrauben müssen neu justiert werden?
Alexander Krautz: Ich denke, dass wir darüber reden müssen, wie wir Flexibilität entlohnen können. Aktuell ist Flexibilität am Strommarkt nicht viel wert. Das heißt, dass Biogasanlagen ihren Vorteil gegenüber anderen Technologien noch gar nicht wirklich ausspielen können. Wenn der Atomausstieg vollzogen ist und weitere fossile Kraftwerke aus dem Netz gehen, wird es zu größeren Strompreisschwankungen kommen. Dann werden Biogasanlagen ihre wahre Stärke zeigen können.
Verena Dubois: Du glaubst also daran, dass Biogasanlagen in Zukunft rentabel betrieben werden können?
Alexander Krautz: Ich bin davon überzeugt, dass Anlagen mit sinnvollen Wärmekonzepten, die sich auf eine Flexibilisierung einstellen, auch perspektivisch Geld verdienen können. Eigentlich weiß heute schon jeder, dass wir die Flexibilität benötigen – es hat sich nur noch nicht in den Preisen niedergeschlagen. An den Märkten wird Flexibilität heute noch zu wenig nachgefragt. Wir haben die Flexibilitätsprämie – die ist sicher schon ein gutes Instrument. Damit können sich Anlagenbetreiber auf einen flexiblen Betrieb einrichten. Zum Erreichen der Klimaziele muss die Politik aber umdenken: Zentral wird sein, von einem reinen Kilowattstunden-Vergleich hin zu einer Diskussion der Systemdienlichkeit einzelner Energieträger zu wechseln.
Verena Dubois: Kannst du das noch mal genauer erklären?
Alexander Krautz: Gerne. Wir haben im PV- und Windbereich sehr niedrige Gestehungskosten. Da die Stromerzeugung jedoch vom Wind- und Sonnenangebot abhängig ist, erzeugen wir auf der anderen Seite Systemkosten. Denn wir haben zu gewissen Zeiten Überschüsse, die wir unter Umständen gar nicht verwenden können, weil Netze fehlen oder keine Nachfrage besteht. Das sind Kilowattstunden, die eigentlich nichts wert sind, nach der heutigen Systematik aber trotzdem vergütet werden. Auf der anderen Seite gibt es Zeiten, zu denen wir Strom benötigen, Wind und Sonne aber nicht verfügbar sind. Dann brauchen wir andere Technologien, die diese Lastspitzen decken. Diese Spitzenabdeckung ist vergleichsweise teuer. Zusammengefasst bedeutet das, dass wir durch die preiswerten fluktuierenden Energieträger zwar über eine günstige Basis verfügen, jedoch einen höheren Spitzenlastbedarf haben, der nur zu vergleichsweise teuren Konditionen gedeckt werden kann.
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Verena Dubois: Hast du eine Idee, wie sich dieses Missverhältnis lösen lässt?
Alexander Krautz: Auf politischer Ebene muss endlich eine nach Energieträgern differenzierte Diskussion stattfinden. Momentan wird nur gefragt: Wie teuer ist Wind? Wie teuer ist Biomasse? Der systemische Mehrwert von Biomasse wird nicht berücksichtigt. In eine faire Preisgestaltung sollten aber die Spezifika der Technologie mit einfließen. Denn die Kilowattstunden aus unterschiedlichen Erzeugungstechnologien sind für das System auch unterschiedlich viel wert. Es besitzt einen monetären Gegenwert, dass die Biogasanlage ihre Erzeugung von einem Zeitpunkt auf einen anderen verschieben kann. Zudem liefert sie auch noch günstige erneuerbare Wärme. Im Wärmesektor sind wir sogar noch viel weiter von unseren Zielen entfernt, als im Stromsektor: Bei Rückgang der Stromerzeugung aus Biomasse-KWK Anlagen müssen wir nicht nur den erneuerbaren Strom, sondern auch noch die erneuerbare Wärme kompensieren.
Verena Dubois: Könnte die mögliche Jamaika-Koalition hilfreich sein für die Durchsetzung solcher Ziele?
Alexander Krautz: Die Grünen haben als oberstes Ziel formuliert, das Pariser Klimaabkommen einhalten zu wollen. Dafür müssen nun die Weichen gestellt werden. Das bedeutet, dass bei den Erneuerbaren endlich die angezogene Handbremse gelöst und wieder aufs Gaspedal gedrückt werden muss. Und das nicht nur in einem Technologiebereich – vielmehr muss jeder Energieträger mit seinen spezifischen Vorteilen vorangebracht werden. Das könnte zu einer Wiederbelebung bei den Erneuerbaren führen.
Verena Dubois: Gibt es aktuell noch weitere Zukunftsperspektiven für die Biogasbranche?
Alexander Krautz: Perspektivisch könnte es für Biogasbetreiber interessant werden, Flexibilität auf regionalen Flexibilitätsmärkten bereitzustellen. Momentan sind wir in Diskussion mit Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern, wie ein solches System ausgestaltet werden könnte. Hier geht es etwa um die Frage, wie man durch den flexiblen Betrieb von Biogasanlagen das Einspeisemanagement von fluktuierenden Energieträgern reduzieren könnte. Das wäre für alle Seiten eine Win-Win-Situation: Das Einspeisemanagement wird reduziert und der Anlagenbetreiber bekommt für seinen flexiblen Betrieb ein Entgelt. Wir arbeiten intensiv daran, dass wir hier weiter vorankommen.
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