Sturmtief Axel, zuständig für den aktuellen Windenergierekord, hat landesweit einen kräftigen Windstromüberschuss erzeugt – und eine beträchtliche Menge Gas für die Stadtwerke im fränkischen Haßfurt. Denn die Power-to-Gas (PtG)-Anlage von den Stadtwerken Haßfurt und Greenpeace Energy speicherte die überschüssige und daher besonders günstige Windenergie flexibel und sekundenschnell als Windgas in Form von Wasserstoff.
Unser Virtuelles Kraftwerk steuert den gesamten Prozess vor Ort – wir haben Max Fuhrmann, unseren PtG-Spezialisten in Köln, zu diesem Ereignis interviewt.
Christian Sperling: Max, am Dienstagabend hatten wir einen Windenergierekord von 36.000 Megawatt in Deutschland – kann Haßfurt jetzt bis zum Frühling mit Windgas heizen?
Max Fuhrmann: Wir haben schon eine ordentliche Menge Wasserstoff erzeugt – aber ganz so heftig waren die Sprünge nicht. Im Bürgerenergiewindpark Haßfurt kommen solche starken Windflanken häufiger vor. Doch gerade durch den unregelmäßigen Verlauf konnten wir gut zeigen, wie flexibel die PtG-Anlage auf diese markanten Windereignisse reagiert und überschüssigen Windstrom in Gas umwandelt.
Christian: Wie kann die PtG-Anlage in Haßfurt die überschüssige Windenergie denn speichern?
Max: Die PtG-Anlage wandelt den Windstromüberschuss per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff um – das Prinzip kennt man aus dem Chemieunterricht. Der brennbare Wasserstoff wird anschließend in einem Tank gespeichert und nach und nach dem Erdgasnetz der Stadt beigemischt.
Christian: Was würde denn mit dem Windstromüberschuss passieren, wenn man ihn nicht in Gas umwandeln könnte?
Max: Wir müssten den überschüssigen Strom aus dem Verteilnetz ins Übertragungsnetz weiterleiten, dort wird er dann verkauft oder exportiert. Da der Wind aber meistens nicht nur in Haßfurt, sondern überall sonst auch stark weht, müssten wir den Strom sehr günstig oder sogar zu Negativpreisen verkaufen.
Christian: Verstehe. Dann ist es besonders wichtig, dass die PtG-Anlage schnell auf Börsenpreissignale aus dem Virtuellen Kraftwerk reagiert?
Max: Absolut. Wir erzeugen nur dann Wasserstoff, wenn ein hohes Windaufkommen gegeben ist, der lokale Windstrom von den Verbrauchern vor Ort im Verteilnetz Haßfurt nicht vollständig genutzt werden kann, der Strombörsenpreis besonders niedrig fällt und sich daher die Gasproduktion lohnt. Die Zentrale erteilt bei Eintreten dieser Konstellation einen Startbefehl und stoppt die Elektrolyse, wenn der Preis wieder steigt, weil der Wind wieder schwächer weht. Das lässt sich in der Grafik besonders gut zeigen.
Christian: Was zeigen denn die Kurven auf der Grafik genau? Das sieht auf den ersten Blick ja ziemlich kompliziert aus…
Max: So schwierig ist es gar nicht. Im oberen Teil der Grafik zeigt eine grüne Linie den Betrieb des Elektrolyseurs an. Von der Grundlast auf maximale Leistung können wir innerhalb von 15 Sekunden gehen, daher ist der Linienverlauf so eckig. Die gelbe Linie ist der optimierte Fahrplan, den die PtG-Anlage aus dem Virtuellen Kraftwerk in Köln bekommt. Beide Linien sind mit einem kleinen Ausreißer deckungsgleich – ein Zeichen dafür, wie gut das Zusammenspiel schon funktioniert.
Christian: Und die vielen Kurven unten in der Grafik?
Max: Konkret sind nur die blaue und die rote Kurve wichtig: Die blaue Kurve zeigt die tatsächliche Windeinspeisung, die rote Kurve zeigt den Füllstand des Gasspeichers in Haßfurt.
Christian: OK. Dann geht es also am 3. Januar um 16 Uhr so richtig los…
Max: Genau. Unser Virtuelles Kraftwerk in Köln registriert den starken Anstieg bei der Windenergie, unter anderem aus eigenen Prognosen und den Live-Daten der vielen in unserem Leitsystem vernetzten Anlagen in ganz Deutschland. Nun dauert es eine Weile, bis der Markt auf diesen Anstieg mit einem Sinken des Strompreises reagiert – für den Start der Gasproduktion haben wir eine Schwelle eingebaut. Ungefähr um 17 Uhr wird diese Schwelle überschritten – und der Elektrolyseur erhält vollautomatisch das Signal zur Gasproduktion. Von jetzt an bis um Mitternacht erzeugt die Anlage aufgrund des stark steigenden Windstromniveaus (blaue Linie) Wasserstoff – der Füllstand des Gasspeichers (rote Linie) steigt stark an.
Christian: Warum stoppt die Produktion um Mitternacht? Der Speicher ist doch offenbar noch nicht voll.
Max: Unsere Prognosedaten haben hier ein Abflauen des Windes gezeigt – vorsorglich schaltet das Virtuelle Kraftwerk die Produktion der Anlage per Befehl ab. Als die Abschwächung dann noch ein wenig auf sich warten ließ und der Börsenpreis günstig blieb, wurde die Gasproduktion wieder kurzfristig gestartet. Circa um 2:30 Uhr wehte der Wind dann wieder stärker und wir haben wieder kräftig Gas produziert bis der Gasspeicher voll war. Wir hätten in dieser Nacht noch viel mehr Gas produzieren können, leider sind die Gasspeicherkapazitäten an der Anlage und die Wasserstoffaufnahmekapazitäten des Gasnetzes noch beschränkt.
Christian: Verstehe… dann erklärt sich die folgende „Unruhe“ bei den Aus- und Einschaltzeiten also nicht nur mit dem Strompreis, sondern auch mit technischen Begrenzungen des Erdgasnetzes?
Max: Genau. Zwischenzeitlich konnten wir aus diesen Gründen nicht so viel Gas produzieren wie wir wollten, insbesondere am 5. Januar um Mitternacht hatten wir noch einmal einen starken Windanstieg mit günstigen Preisen. Leider können wir die Einspeisung des Wasserstoffs derzeit noch nicht erhöhen – damit das Erdgas nicht verdünnt wird, kann die Anlage nur einen bestimmten Prozentsatz Wasserstoff ins Gasnetz einleiten.
Christian: Ok, dann ist also noch nicht alles perfekt, aber ihr seid auf einem sehr guten Weg?
Max: Absolut. Die Anlage hat auf Sturmtief Axel ausgezeichnet reagiert, insbesondere am 3. Januar. Im Zusammenspiel mit unserem Virtuellen Kraftwerk konnte die Power-to-Gas-Anlage lokale Flexibilität bereitstellen und das Verteilnetz vor Ort entlasten sowie die überschüssige Windenergie sinnvoll umwandeln. Für die Zukunft möchten wir natürlich die Aus- und Einschaltzeiten bei wechselhafterem Wind und damit stärken schwankenden Preisen weiter optimieren, um uns mit der Gasproduktion dem Strompreisverlauf möglichst stark anzunähern.
Christian: Wie sieht es mit der Speicherkapazität aus?
Max: Mit einem Ausbau der Speicherkapazität ließe sich natürlich noch mehr überschüssiger Wind als Gas speichern. Um die Einspeisung des Wasserstoffs zu erhöhen, kann man diesen chemisch oder biologisch methanisieren oder gegebenenfalls den Wasserstoffmix im Erdgasnetz erhöhen.
Christian: Es wird also auch in Zukunft noch viel über dieses Projekt zu berichten geben…
Max: Genau. Aber es macht wirklich großen Spaß, besonders, weil wir hier mit einem abteilungsübergreifenden Team aus Stromhandel, IT und Anschlusstechnik sowie natürlich mit den Partnern bei den Stadtwerken Haßfurt und bei Greenpeace Energy gearbeitet haben. Da ist noch eine Menge drin – auch für weitere Blogbeiträge!
Christian: Max, vielen Dank für Deine Zeit und wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Spaß bei Eurem Projekt – und wir freuen uns auf viele spannende Geschichten!
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