Seit einigen Monaten geht es bei den Strombörsenpreisen nur in eine Richtung: steil nach oben. Im Juli 2021 betrug der durchschnittlich gehandelte Strompreis an der EPEX Spot 81,37 Euro pro Megawattstunde (MWh). Im Gespräch mit unserem Stromhändler Jan Egidi gehen wir dieser Entwicklung auf den Grund und sprechen darüber, was dieser Trend für die Erneuerbaren bedeutet.
Verena Dubois: Kannst du die Preisentwicklung der letzten Monate noch einmal für uns zusammenfassen?
Jan Egidi: Seit Jahresanfang haben sich die Börsenpreise fast verdoppelt: Während der Baseload im Juni 2020 bei 45 Euro pro Megawattstunde (MWh) lag, wurden im Juli über 81 Euro aufgerufen. Und im August sehen wir sogar schon Baseload-Spotpreise von über 100 Euro. Auch das Kalenderjahr, also der Preis für den Handel eines ganzen Jahres am Terminmarkt, kostet momentan 80 Euro. Letztes Jahre gab es einen kleinen Corona-Einbruch, da lag der Preis bei 40 Euro, aber seitdem geht es kontinuierlich nach oben. Diese Preisentwicklung hat uns teilweise schon fast etwas sprachlos gemacht, seit 12 Jahren lagen die Preise nicht mehr so hoch.
Verena Dubois: Welche Gründe siehst du für das hohe Preisniveau?
Jan Egidi: Maßgeblich sind die gestiegenen Brennstoff-Kosten auf dem Weltmarkt, also der Anstieg bei Steinkohle und Erdgas, der dann letztlich auch die Strompreise in Deutschland mit beeinflusst. Als Preistreiber wirkt hier vor allem die hohe Nachfrage nach Kohle und Erdgas aus Asien. Ein weiterer Faktor sind Spannungen zwischen Australien als großem Kohleexporteur und China, die ebenfalls für steigende Kohlepreise sorgen.
Neben diesem Weltmarkt-Geschehen gibt es aber noch eine europäische Komponente: So ist auch der CO2-Preis – also der Preis, der für klimaschädliche Kohlenstoffdioxid-Emissionen gezahlt werden muss – extrem gestiegen. Letztes Jahr lag er bei 20 bis 25 Euro pro Tonne CO2, inzwischen bei 55 bis 57 Euro. Auch hier sehen wir also eine Verdopplung. Das hat damit zu tun, dass die EU nun noch ambitioniertere Klimaziele vorgegeben hat, also mehr CO2 einsparen will und deshalb die Verschmutzungsrechte verknappt. Dieser gesamte Mix führt nun dazu, dass die Großhandelspreise für Strom stark gestiegen sind.
Verena Dubois: In den letzten Monaten haben wir immer wieder gehört, dass negative Preise an der Strombörse auftauchen. Wie passt das mit dem steigenden Preisniveau zusammen?
Jan Egidi: Negative Preise treten vor allem an Wochenenden und Feiertagen auf, wenn eine hohe Erneuerbaren Einspeisung auf eine niedrige Nachfrage trifft. Momentan fehlen oft noch die finanziellen Anreize, um die Anlagen bei einem Angebotsüberschuss auszuschalten. Auch die unflexiblen konventionellen Kraftwerke, die unabhängig von den aktuellen Einspeisewerten auch am Wochenende auf Minimallast fahren, tragen dazu bei, dass es zu negativen Preisen kommt. Am steigenden Gesamtniveau der Basepreise ändern die negativen Preise aber nichts. Der Baseload ist ja der monatliche Durchschnittspreis aller Stunden und es treten regelmäßig auch sehr teure Stunden mit bis zu 140 Euro/MWh auf. Flexible Anlagen, die diese Preisspreads für sich nutzen können, haben da einen großen Vorteil.
Verena Dubois: Welche zukünftige Preisentwicklung erwartest du?
Jan Egidi: Zukünftige Entwicklungen sind natürlich nicht zuverlässig vorhersehbar, interessant ist aber, dass die Terminmarktpreise für die kommenden Jahre zwar immer noch ein vergleichsweise höheres Niveau halten, insgesamt aber leicht rückläufig sind. So liegt das Jahr 2023 bei 70 Euro pro MWh und das Jahr 2024 schon bei 62 Euro. Dass die Preise hier wieder nach unten tendieren, hängt wahrscheinlich mit dem Ausbau der Erneuerbaren zusammen. Je mehr Zubau, desto niedriger liegen zwangsläufig auch die Großhandelspreise, weil die Erneuerbaren ihren Strom mit null Euro variablen Kosten anbieten.
Gleichzeitig nehmen wir in den kommenden Jahren aber auch die deutschen Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz, was wiederum zu einer Verknappung des Angebots führt. Auch die zunehmende Stromnachfrage durch die Elektrifizierung des Verkehrssektors wird hier mit reinspielen. Das – und eine nicht berechenbare Weltkonjunktur – sorgt dafür, dass sich hier keine eindeutige Prognose treffen lässt. Generell sehe ich aber die aktuelle Situation auf jeden Fall als einen guten Motor für den Ausbau der Erneuerbaren.
Verena Dubois: Kannst du noch einmal im Detail erklären, wie sich die Preisentwicklung auf die Erneuerbaren auswirkt?
Jan Egidi: Für die Erneuerbaren ist die aktuelle Entwicklung mehr als positiv. Sie bekommen den gleichen Großhandelspreis wie die konventionellen Kraftwerke, haben aber keine Brennstoffkosten. Das heißt, während die Kosten der Konkurrenz stark steigen, bleiben die eigenen konstant oder sinken sogar. Denn auch der Bau von Windparks und Solaranlagen wird günstiger. Auf diese Weise steigt die Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren immer weiter. Kommen dann noch hohe Marktpreise hinzu, ist das eine echte Win-Win-Situation. Dies reizt natürlich auch den Bau neuer Anlagen an – vor allem auch die Realisierung von PPA-Projekten außerhalb der Förderung.
Verena Dubois: Und was bedeutet die aktuelle Marktlage für Anlagenbetreibende in der Direktvermarktung?
Jan Egidi: Aktuell können sich viele Anlagenbetreibende darüber freuen, dass sie höhere Erlöse erzielen als sie eigentlich über ihre zugesicherte EEG-Vergütung erhalten würden. Schon im Juni lag etwa der Marktwert Solar mit 6,84 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh) über der garantierten Vergütung der meisten PV-Anlagen. Und im Juli kletterte er jetzt auf 7,41 Ct/kWh und erreichte damit ein neues Rekordhoch. Entsprechend sollten sich Anlagenbetreibende nicht wundern, dass sie momentan keine Marktprämie vom Netzbetreiber ausgezahlt bekommen. Denn diese hat ja nur die Aufgabe die Differenz zwischen Marktwert und zugesicherter EEG-Vergütung auszugleichen, was beim derzeitigen Preisniveau jedoch entfällt. Zu beachten ist allerdings, dass nicht alle Anlagenbetreibende nach Marktwert abgerechnet werden. Anlagenbetreibende, die einen Teil der produzierten Strommengen selbst verbrauchen und nur die überschüssigen Mengen ins Stromnetz einspeisen, werden danach vergütet, was der Strom zum Zeitpunkt der Einspeisung wert ist. Geschieht dies zu Zeiten hoher Strombörsenpreise können sogar Erlöse oberhalb des Marktwertes erzielt werden. Wird der Überschussstrom etwa im Sommer um die Mittagszeit eingespeist, liegen die Erlöse in der Regel unterhalb des Marktwertes.
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