Gute Solar-Prognosen schaffen einen großen Mehrwert. Sie optimieren die Vermarktung von Photovoltaik-Anlagen und sorgen damit auch für geringere Ausgleichsenergie- und Regelenergiekosten. Damit die Prognose möglichst akkurat ist, arbeiten im Hintergrund komplizierte Algorithmen. Sie verarbeiten große Datenmengen aus verschiedenen Quellen, um den Händlern eine gute Position am Markt zu verschaffen.
Die Prognose für Solarenergie spielt in der Vermarktung eine große Rolle. Denn sie hat Einfluss auf die Entscheidungen der Händler und damit auf den Gewinn für die Anlagenbetreiber und für die Vermarkter. Außerdem beeinflusst die verfügbare Menge an Solarenergie das Marktgeschehen als Ganzes. Eine gute Prognose darüber ist also nicht nur für den Handel mit Solarstrom wichtig.
Der Strom aus den meisten Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) wird heute über das Marktprämienmodell an der Börse gehandelt – oftmals über einen Direktvermarkter wie Next Kraftwerke. Dabei erhalten die Betreiber die Börsenerlöse und die Marktprämie. Außerdem erhalten sie die Managementprämie, die bei Neuanlagen in die Marktprämie eingepreist ist. In der Regel erhält der Vermarkter einen Teil der Managementprämie für seine Vermarktungsleistung. Hier kommt die Prognose ins Spiel: Je besser sie ist, desto besser können die Händler das Portfolio vermarkten, desto weniger Ausgleichsenergiekosten entstehen und desto mehr bleibt am Ende von der Marktprämie/Managementprämie für Anlagenbetreiber und Vermarkter übrig. Eine gute Prognose ist daher entscheidend, um am Markt erfolgreich zu sein.
Um eine möglichst akkurate Prognose zu erstellen, verlassen sich die Analysten nicht alleine auf den Wetterbericht. Sie nutzen eine Vielzahl von Daten, um ein möglichst genaues Muster der PV-Einspeisung zu erstellen. Die Idee dahinter: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto genauer wird das Muster.
Fahrpläne der Anlagen, Verbrauch- und Einspeisemessungen, Preise und gefragte Volumen an den Strommärkten, Wetterdaten, geografische Daten – dies sind alles Beispiele für Daten, die in die Prognose einfließen. Sie kommen in der Regel aus den verschiedensten Quellen und wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben, sie haben verschiedene Formate und Datentypen. Diese große Menge an Daten verarbeitet ein Algorithmus zu Prognose über die Einspeisemenge von PV-Strom.
Prognose-Algorithmen sind mathematische Prozesse, die mit Hilfe von parametrisierten Modellen und machine learning-Verfahren (Deutsch: Maschinelles Lernen), die Datensätze analysieren und daraus Ergebnisse berechnen. Während es sich bei parametrischen Modellen um Modelle aus der Statistik handelt, die dabei helfen anhand von aktuellen Daten und unterschiedlichen Annahmen, Aussagen über die Zukunft, also die PV-Einspeisung im Laufe des Tages, zu treffen, geht es beim machine learning darum, dass der Daten-Analyst dem Computer mit Hilfe eines Lernverfahrens beibringt, bestimmte Muster in den Daten zu erkennen und daraus die Weiterentwicklung vorherzusagen. Im Fall der PV-Prognose zum Beispiel, wie die typische Einspeisekurve von PV-Strom über den Tag hinweg aussieht. Je größer und strukturierter die erhaltene Datenmenge ist, desto besser wird der Computer darin, ein entsprechendes Muster zu erstellen. Dann kann er zum Beispiel Abweichungen vom Normalzustand erkennen. Im Prinzip gilt dieser Prozess für alle Prognosen, die heutzutage erstellt werden. Der Unterschied liegt darin, welche Datenquellen genutzt werden und wie der Algorithmus aufgesetzt ist. Das ist von Anbieter zu Anbieter verschieden.
Bei Next Kraftwerke besteht heute fast die Hälfte des Portfolios aus Solarstrom. In Zahlen sind das rund 3000 Megawatt (Stand 6/2019). Als Virtuelles Kraftwerk vermarkten wir diesen Strom in Auktionen am Day Ahead Markt und gleichen Abweichungen im Intraday Handel aus. Der Intraday Handel bietet sich für den kurzfristigen Ausgleich des volatilen PV-Strom an, weil dort kontinuierlich Strom gekauft und verkauft wird, der noch am gleichen Tag geliefert wird. Eine Position kann in Deutschland zum Beispiel bis zu fünf Minuten, bevor sie fällig ist, gehandelt werden. Daher ist es möglich, sehr kurzfristig noch Mengen zu korrigieren, um Ausgleichsenergiekosten zu verhindern.
Bei Next Kraftwerke nutzen wir für die Prognose zum einen Echtzeitdaten unserer PV-Anlagen aus ganz Europa, die wir über unsere Fernsteuereinheit Next Box oder über andere Schnittstellen wie die APIs zu den Datenloggern des Wechselrichters der PV-Anlage empfangen. Über die verschiedenen Schnittstellen bekommen wir die entsprechenden Daten in Echtzeit übermittelt. So erhalten wir kontinuierlich Informationen über die Einspeisung der insgesamt 1100 Anlagen unseres Virtuellen Kraftwerks. Für eine akkurate Prognose reichen diese Daten jedoch noch nicht aus. Um die Prognose möglichst genau zu erstellen, verwenden wir neben diesen Echtzeitdaten daher auch geografische Daten zu den Anlagen und Informationen der vorherigen Tage zum Beispiel ältere Einspeisedaten aus den PV-Anlagen.
Um eine so große Menge an komplexen, schwach strukturierten Hochfrequenz-Daten zu verarbeiten, haben wir einen Algorithmus erstellt, der genau auf unsere Bedürfnisse passt. Wir haben vor einigen Jahren mit einfachen Skripten angefangen, heute haben wir einen ausgeklügelten Algorithmus, der Daten aus verschiedenen Anlagen und Ländern aufnehmen und verarbeiten kann. IT, Händler und Analysten arbeiten eng zusammen, um mit ihren unterschiedlichen Perspektiven diesen Algorithmus ständig zu verbessern.
Die eigentliche Bearbeitung und Berechnung aller Daten geschieht in Sekunden. Hier ist unsere IT gefragt. Daten speichern, verarbeiten, überprüfen und bei Bedarf korrigieren – die IT stellt sicher, dass dieser aufwendige Prozess reibungslos funktioniert. Das ist wichtig, denn nur dann sind wir mit unserer Prognose schneller als der Markt und die Händler können Abweichungen von der Prognose zu einem besseren Preis ausgleichen.
Unsere Auswertung der Daten für die PV-Prognose funktioniert in zwei Schritten. Damit der Algorithmus mit den Daten arbeiten kann, müssen sie zunächst in ein einheitliches Standardformat gebracht werden. Danach überprüft der Algorithmus, ob die Daten logisch sind – vielleicht gab es einen Ausfall an einer Anlage, der die Messung verzerrt. Hier erfolgt also eine so genannte Plausibilitätsprüfung. Sollte etwas aus der Reihe tanzen, schauen wir uns das genau nochmal an, ob und wie sich die Abweichung erklären lässt.
In einem zweiten Schritt sortiert die Formel die Anlagen in Gruppen. Das tun wir, um einen Portfolioeffekt zu erzielen. Läuft eine Anlage in einer Gruppe nicht wie geplant, können die anderen Anlagen die Abweichung auffangen. So verringern sich mögliche Prognosefehler, weil das Profil der Gruppe weniger volatil ist, als das Profil einer einzelnen Anlage. Nach der Einordnung in Gruppen fließen alle anderen Daten wie Wetterdaten und die aktuelle Einspeisung der Anlagen in die Berechnung ein und der Algorithmus erstellt daraus die Vorhersage.
Die Livedaten aus den Anlagen machen es möglich, dass die Prognose im Prinzip kontinuierlich überarbeitet und verfeinert wird. Wir berechnen eine erste Vorhersage einige Stunden im Voraus und überprüfen und aktualisieren sie immer wieder. Je näher wir an den Lieferzeitpunkt kommen, desto genauer werden die Prognosen. So haben wir nicht nur kontinuierlich eine aktuelle Prognose, ein schöner Nebeneffekt ist auch, dass wir alle paar Minuten überprüfen, ob die Anlagen richtig laufen.
Denn alle fünf Minuten gibt der Algorithmus eine aktualisierte Prognose raus. Das heißt der Prozess der Verarbeitung und Berechnung startet alle fünf Minuten erneut mit den aktuellen Daten. Die Händler bekommen mit jedem Update, eine neue offene Menge an zu handelndem PV-Strom. Dabei handeln sie immer den Unterschied zur vorherigen Prognose. Ein Beispiel: Für die Viertelstunde von 15:00 bis 15:15 Uhr haben wir um 14 Uhr eine Einspeisung von 100 Megawatt vorhergesagt, um 14:30 Uhr kommt ein Update der Prognose mit 120 Megawatt. Das bedeutet, dass die Händler noch 20 MW am Intraday Markt verkaufen müssen.
Da wir über die verschiedenen Schnittstellen in Echtzeit die Daten aus den Anlagen übermittelt bekommen, können wir unsere Prognose auch sehr schnell überprüfen und schauen, ob sie gut war. So haben wir beispielsweise um 12 Uhr eine Plausibilisierung für unsere Prognose von 11:30 Uhr. War die Prognose nicht gut, können wir schnell reagieren und sie für zukünftige Handelstransaktionen anpassen.
Die PV-Prognose ist aber nicht nur für die Vermarktung der Solar-Anlagen wichtig. Die prognostizierte Menge an verfügbarem PV-Strom entscheidet auch über die Menge an Strom, der durch andere Produzenten geliefert werden muss, um den Bedarf zu decken. Sonnige Aussichten senken die Preise, wird es eher heiter bis wolkig steigen sie. Ist die Prognose nicht präzise, entstehen außerdem Kosten für Regelenergie, um unerwartete Schwankungen im Stromnetz auszugleichen.
Eine gute PV-Prognose ist deshalb mehr als nur eine Vorhersage über die Menge an Solarstrom. Sie schafft einen Mehrwert für das Energiesystem als Ganzes und ist ein wichtiger Hinweis für die allgemeine Marktentwicklung.
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