Noch kurz vor Ende 2021 haben Next Kraftwerke und der niedersächsische Anlagenbetreiber BioConstruct das bislang umfangreichste Power Purchase Agreement (PPA) für Biogas auf dem deutschen Strommarkt abgeschlossen. Insgesamt 86 Biogas-BHKW erhalten im ersten Quartal 2022 eine vertraglich definierte fixe Vergütung für ihren Biogasstrom. Wie es zu diesem zukunftsweisenden Deal kam und wie viel Nervenkitzel der Abschluss mit sich brachte, schildern Henrik Borgmeyer von BioConstruct und Jochen Schwill von Next Kraftwerke im Interview.
Verena Dubois: Hallo Jochen, Biogas-PPAs sind auf dem deutschen Markt noch eine absolute Seltenheit. Woran liegt das?
Jochen Schwill: Hierzu muss man einen kleinen Dive in den Strommarkt und die unterschiedlichen Vermarktungsmodelle machen. Die Biogasanlagen in unserem Pool werden im Rahmen des Marktprämienmodells vermarktet und erhalten eine garantierte EEG-Vergütung. In diesem Fördermodell liegen die Erlöse in der Regel über dem, was ohne Förderung an der Strombörse – und insbesondere im Rahmen von längerfristigen Terminmarktgeschäften – zu erzielen ist. Noch bis vor kurzem wäre es für eine geförderte Biogasanlage nicht lukrativ gewesen, ein PPA abzuschließen.
Verena Dubois: Und das sieht jetzt anders aus?
Jochen Schwill: Durch den rapiden Anstieg der Strombörsenpreise haben sich ganz neue Vermarktungschancen aufgetan. Es kommt nicht nur zu Preispeaks an den kurzfristigen Spotmärkten – auch die Terminmarktpreise für mittel- und längerfristige Kontrakte sind deutlich gestiegen. Allerdings muss man dazu sagen, dass es sich immer wieder um extrem kurzfristige Zeitfenster handelt, in denen ein attraktiver Deal geschlossen werden kann. Hier geht es also darum, schnell zu agieren und einen guten Preis zu fixieren. Das haben wir im Fall des PPAs mit BioConstruct geschafft.
Verena Dubois: Henrik, wie lief denn der PPA-Abschluss zwischen BioConstruct und Next ab?
Henrik Borgmeyer: Am 21.12. schickte mir mein im Windkraftsektor tätiger Bruder einen Screenshot der Baseload-Preise der EEX, aus dem ein Preis von € 400,- pro MWh für das 1. Quartal 2022 hervorging. In dem Moment kam mir der Gedanke, Next Kraftwerke bezüglich einer PPA-Vermarktung unserer Strommengen zu kontaktieren. Noch am gleichen Tag kam dann die Rückmeldung, dass die Vermarktung zu einem Festpreis grundsätzlich möglich sei. Bedingung war aber, dass wir die zu vermarktenden Strommengen auch wirklich liefern können. Ich musste also mit allen 30 Betreibern unseres Pools sprechen, um die Mengen abzuklären.
Verena Dubois: Und das hat alles reibungslos funktioniert?
Henrik Borgmeyer: Erst mal war ich ziemlich geschockt, als ich am frühen Morgen des 22.12. erfuhr, dass wir nur bis maximal 11 Uhr Zeit haben, das Geschäft abzuschließen. Ab dem Moment brannte bei uns die Hütte! Ich habe ein Team von fünf Mitarbeitern in meinem Büro zusammengetrommelt und alle gebeten, alles stehen und liegen zu lassen, um die Betreiber abzutelefonieren. Ein extremer Abstimmungsbedarf und umfangreicher Planungsprozess, der bei uns einiges an Nervosität und Hektik provozierte. Um 10.30 Uhr stand das Projekt in Frage, weil wir den vereinbarten Zeitpunkt nicht einhalten konnten. Glücklicherweise konnte uns Next noch eine Stunde Aufschub gewähren.
Verena Dubois: Wie ging es dann weiter?
Henrik Borgmeyer: Zur Mittagszeit konnten wir dann endlich die monatlichen Strommengen pro Anlage – stattliche 40.000 MWh insgesamt – an Next melden. Eine Stunde später erhielten wir die Bestätigung, dass die Mengen zum vereinbarten Preis an der Börse verkauft wurden. Dass wir unseren Biogas-Strom zu einem höheren Preis als die gesetzliche Einspeisevergütung von ca. 20 ct/kWh verkaufen können, hätte ich niemals erwartet!
Verena Dubois: Jochen, wird das Produkt denn jetzt groß ausgerollt, so dass auch andere Kund_innnen in den Genuss eines PPAs kommen?
Jochen Schwill: Wir sind erst einmal sehr glücklich über den erfolgreichen Abschluss mit BioConstruct, der von uns ebenfalls ein sehr schnelles und entscheidungsfreudiges Agieren erfordert hat. Aktuell sind die Terminmarktpreise leider wieder gesunken, so dass sich das Fenster, in dem Biogas-Betreiber einen guten Deal machen konnten, schon wieder geschlossen hat. Aber wir gehen davon aus, dass ähnliche Entwicklungen auch zukünftig wieder zu sehen sind und bieten unseren Kund_innen an, sie auf Wunsch vorzumerken. Sollten dann die Bedingungen eintreten, kommen wir kurzfristig auf die Interessenten zu. Attraktiv ist das Thema momentan noch für Technologien mit niedrigerer Einspeisevergütung wie zum Beispiel feste Biomasse, Photovoltaik oder Windkraft. Allerdings ist die Umstellung auf ein PPA bei uns mit einem hohen operativen Aufwand verbunden, sodass wir das Produkt aktuell noch nicht als Standardgeschäft anbieten können. Wir arbeiten aktuell an der Etablierung entsprechender Prozesse und gehen davon aus, dass wir im Laufe des Jahres attraktive Angebote machen können.
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