Am 6. April hat Wirtschaftsminister Robert Habeck das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung vorgestellt. Das Paket umfasst Anpassungen für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), durch die der Ausbau der Erneuerbaren massiv beschleunigt werden soll. Wir sprachen mit Alexander Krautz, Leiter Business Development bei Next Kraftwerke, über den Kabinettsentwurf und die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf das Energiesystem.
Verena Dubois: Was sind die wichtigsten Änderungen, die das Osterpaket mitbringt?
Alexander Krautz: Im Kabinettsentwurf ist ein massiver Ausbau im Bereich Wind und Photovoltaik (PV) geplant. Bis 2030 sollen 80 Prozent und bis 2035 nahezu der komplette Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Um dies zu realisieren, ist im PV-Bereich das Zubauziel von derzeit sieben Gigawatt auf 22 Gigawatt bis 2026 angehoben worden. Insgesamt sollen im Jahr 2030 rund 600 Terawattstunden Strom durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden.
Verena Dubois: Das sind doch sehr gute Nachrichten.
Alexander Krautz: Ja, auf jeden Fall. Allerdings ist in einigen Bereichen noch unklar, wie diese Ziele erreicht werden können. Aktuell fehlt es an Fachkräften und die Regulatorik passt in vielen Bereichen auch noch nicht. Durch den steigenden Anteil volatiler Erneuerbarer entsteht ein extrem hoher Bedarf an Flexibilität, bei dem noch nicht klar ist, wie er gedeckt werden kann.
Verena Dubois: Welche Flexibilitätspotenziale könnten gehoben werden?
Alexander Krautz: Elektrolyse-Anlagen werden einen Teil der Überschüsse aufnehmen können. Doch auch diese haben nur eine begrenzte Flexibilität und benötigen eine gewisse Auslastung. Im Haushaltsbereich könnten Elektroautos, Wärmepumpen und Heimspeicher Flexibilität bereitstellen. Aktuell ist es aber noch nicht möglich, diese ins System zu integrieren, da die passenden Smart-Meter noch fehlen. Der Smart-Meter-Rollout funktioniert leider nicht, da er mit Komplexität und partikularen Interessen überfrachtet ist. In anderen Ländern läuft das wesentlich besser.
Im industriellen Bereich wird seit Jahren eine Änderung der Stromnetz-Entgelt Verordnung gefordert. Die Förderung eines möglichst konstanten und somit unflexiblen Verbrauchs steht im klaren Widerspruch zum künftigen Energiesystem, in dem wir mehr Flexibilität auf der Verbrauchsseite benötigen.
Auch wird es entscheidend sein, die verschiedenen Ebenen zu harmonisieren. Hierzu ist aus unserer Sicht die digitale – und vor allem intelligente – Vernetzung der vielen dezentralen Einheiten eine wesentliche Voraussetzung. Virtuelle Kraftwerke, die Einspeisung und Verbrauch der vielen Akteure überwachen und steuern können, werden hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Verena Dubois: Welche Auswirkungen hat der Zubau volatiler Kapazitäten auf die Strommärkte?
Alexander Krautz: Der wachsende Anteil fluktuierender Erzeuger im Strommix wird zu immer stärkeren Schwankungen bei den Strombörsenpreisen führen. Diese Preisdifferenzen setzen zum einen den Anreiz mehr für Flexibilität. Denn für flexible Produzenten und Verbraucher wird es dann immer attraktiver, Erzeugung oder Verbrauch in vorteilhafte Zeitfenster zu verschieben. Gleichzeitig führen die zusätzlichen Mengen aber auch zu weiteren Herausforderungen im Energiehandel.
Verena Dubois: Kannst du das vielleicht an einem Beispiel erläutern?
Alexander Krautz: Das beste Beispiel hierfür sind die sogenannten Rampenkosten: Der Referenzmarkt für die Erneuerbaren ist der Day-Ahead Markt. Dort werden Stundenprodukte gehandelt. Bilanziert wird jedoch auf Viertelstunden Basis. Das Bedeutet, dass die prognostizierten Mengen zunächst am Day-Ahead Markt platziert und dann in der Intraday-Auktion korrigiert werden müssen. Hier sehen wir heute schon an sonnigen Tagen extrem Differenzen in den Viertelstunden Durch das spezifische Einspeiseprofil von PV-Strom müssen in der Regel vormittags in den ersten zwei Viertelstunden Mengen zugekauft werden.
Der Preis für diese Mengen liegt in der Regel über dem Day-Ahead-Preis. In den nächsten zwei Viertelstunden verhält es sich umgekehrt: Bei sinkenden Preisen müssen Mengen verkauft werden. Auch hier macht der Direktvermarkter also wieder Verluste.
Mit steigendem Anteil fluktuierender Energieträger werden die Rampen und die damit verbundenen Differenzen im Intraday Markt größer. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, schlagen wir deshalb vor, den Day-Ahead-Markt auf Viertelstunden Produkte umzustellen, um den Markt effizienter aufzustellen und die beschriebenen nachteiligen Effekte zu vermeiden.
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Verena Dubois: Durch den Krieg in der Ukraine und die schmerzhafte Abhängigkeit Europas von russischem Gas ist ja auch die Bioenergie wieder stärker in den Blick gekommen. Welche Regelungen erwarten uns hier?
Alexander Krautz: Biogasanlagen sollen zukünftig als Spitzenlastkraftwerke agieren. Dabei setzt die Bundesregierung vor allem auf hochflexible Biomethan-BHKW. Dem Bestand an flexiblen Biogasanlagen mit funktionierenden Wärmekonzepten wird hingegen keine wirkliche Zukunftsperspektive aufgezeigt. Dies geht zu Lasten der flexiblen Vor-Ort-Verstromung und lässt die Potenziale für erneuerbare Nah- und Fernwärmeversorgung ungenutzt. Hier erhoffen wir uns noch Nachbesserungen der Bundesregierung.