Mitten im Ozean, hunderte Meilen vom Festland entfernt liegt die Insel der Zukunft, die sich ganz allein mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt.
Die Ermöglichung einer verlässlichen und klimafreundlichen dezentralen Energieversorgung ist eines der großen Ziele von Next Kraftwerke. Im ganz großen, deutschlandweiten Maßstab kann dies noch nicht erreicht werden. Zu sehr sind Politik und Energiewirtschaft noch im Paradigma des fossilen Großkraftwerks gefangen, die Entwicklung zur dezentralen Energieversorgung verläuft langsam.
Doch was im Großen noch nicht möglich ist, kann bereits im Kleinen erreicht werden: Auf Inseln und Inselgruppen, die per se eine Tendenz zur Autarkie haben, lassen sich die dezentralen Stromnetze der Zukunft schon heute realisieren – etwas Investitionsbereitschaft, energiewirtschaftliche Courage und leistungsfähige Technologie vorausgesetzt.
Die Stromversorgung von Inseln basiert primär auf zwei Konzepten: Entweder es existieren eigene Stromerzeugungsmöglichkeiten auf der Insel oder der Strom wird vom Festland oder einer Nachbarinsel per Seekabel bezogen. Kleinere Hochseeinseln fernab vom Festland sind mit mittleren bis großen Dieselgeneratoren ausgestattet, größere Hochseeinseln verfügen über Öl- oder Kohlekraftwerke. Diesel, Öl oder Kohle müssen jedoch per Schiff auf die Insel gebracht werden: Dies ist nicht nur bei schlechtem Wetter problematisch, sondern auch sehr teuer und verschlechtert durch den Energiebedarf der Transportschiffe die CO2-Bilanz noch einmal zusätzlich.
Auch die Stromversorgung über Seekabel ist mitunter problematisch – wie das Beispiel der griechischen Kykladen zeigt: Diese relativ festlandsnahen Inseln werden alle über ein Netz von Seekabeln mit in fossilen Großkraftwerken auf dem griechischen Festland erzeugtem Strom versorgt. Tritt an diesen Kabeln eine Störung auf, sind die Inseln bis auf die Versorgung durch einige kleinere Notstromaggregate stromlos. Diese Stromausfälle können je nach Art der Störung durchaus mehrere Stunden anhalten– Spannungsschwankungen, kurze Ausfälle und Netzwischer sind auch aufgrund des schlechten Zustands der Verteil- und Niederspannungsnetze auf der Insel Alltag.
Doch während der Urlauber auf den Kykladen immer mal wieder schwitzend ohne Strom für seine Klimaanlage auf dem Hotelbalkon brät, ist er permanent von nutzbarer Energie umgeben: Denn nicht nur die Sonne scheint im Sommer mit hoher Intensität, auch der Sommerwind Meltemi wartet mit einer durchschnittlichen Windstärke von vier bis fünf nur auf seine Nutzung durch Windkraftanlagen.
Wind- und Photovoltaikanlagen können hier in der touristischen Hauptsaison einen Großteil des benötigten Stroms erzeugen. Nachts übernehmen BHKW und Stromspeicher die Aufrechterhaltung der Stromversorgung und gleichen die wegfallende Photovoltaik aus. Der Brennstoffbedarf der BHKW, sei es Diesel, Flüssig- oder auch Biogas, wird so auf ein Minimum reduziert, was nicht nur dem Klima, sondern auch dem Inselhaushalt nützt. Dies setzt allerdings ein intelligentes und zentrales Management der Energieversorgung voraus, welches sich mit der oft jahrzehntealten Energieinfrastruktur nur schwer verwirklichen lässt.
Stromproduktionsüberschüsse, wie sie an Tagen mit Starkwind und viel Sonneneinstrahlung auf den Kykladen häufig anzutreffen sind, können direkt vor Ort zum Klimaschutz und zur Kostenreduzierung eingesetzt werden: Sie reduzieren den Verbrauch von teurem Öl und/oder Kohle auf ein Minimum und setzen Strom aus Wind und Sonne in großem Stil ein. Landwirtschaftlich geprägten Inseln ist es zusätzlich möglich, mit Biogas-BHKW die fossile Energienutzung noch weiter zu reduzieren, auch lassen sich der auf Inseln anfallende Müll oder Holz zur Stromerzeugung verbrennen.
Mit diesem Überschussstrom lässt sich, beispielsweise auf vorwiegend touristisch geprägten Inseln, der Mehrverbrauch in der Sommersaison ausgleichen – beispielsweise für die Klimatisierung von Hotelkomplexen oder zur Versorgung von Meerwasserentsalzungsanlagen zur Trinkwassergewinnung. Die ökologischen Kosten des Massentourismus können kompensiert werden, zudem verbessert sich die Klima- und Kostenbilanz.
Strom kann jedoch nicht nur gezielt produziert, sondern auch gezielt verbraucht werden. So finden sich auch auf nicht touristisch geprägten Inseln vielfältige Optionen zur Flexibilisierung der Stromversorgung – auf der Verbraucherseite. Hafenanlagen, die lokale Industrie und andere Stromgroßverbraucher können durch eine gezielte Verschiebung ihrer Höchstlast in Stromüberangebotszeiten Kosten sparen und gleichzeitig das Inselstromnetz entlasten.
Mit Ausnahme der tropischen Breitengrade unterliegen Inseln in unterschiedlichem Maß jahreszeitlichen Effekten. Während auf vorwiegend touristisch geprägten Inseln in den Wintermonaten durch die ausbleibenden Touristen der Stromverbrauch eher sinkt, steigt er auf den nördlicheren oder südlicheren Inseln ohne touristische Prägung jenseits der subtropischen Breitengerade für Heizung und Beleuchtung an.
Während die Photovoltaik auf das jahreszeitliche Minimum sinkt, müssen demnach Windkraftanlagen, BHKWs und derzeit noch nur sehr vereinzelt anzutreffende Pumpspeicherkraftwerke die Inselstromversorgung übernehmen. Gleichzeitig wird mit optimiertem fossilen Brennstoffeinsatz die Speisung der Inselstromversorgung durch BHKWs und Generatoren auch an windarmen, dunklen Tagen sichergestellt.
Inselprojekte mit Strom aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien sind derzeit noch eher Ausnahmen oder Modellversuche, in den meisten Fällen müssen konventionelle Stromerzeuger die Projekte zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien noch unterstützen. Dennoch gibt es – hier wären die Projekte auf der dänischen Insel Samsø und der Kanareninsel El Hierro zu nennen – bereits vielversprechende Ansätze, die sich auf unterschiedlichen Wegen dem Ziel von 100 Prozent Erneuerbaren Energien zur autarken Inselstromversorgung schon recht weit angenähert haben.
Am 24. März 2016 wurde auf Sint Eustatius, einer 21 km² großen, zu den Niederlanden gehörenden Karibikinsel mit 4.000 Einwohnern, durch die SMA Solar Technology AG (SMA) ein Photovoltaik-Batterie-Diesel-Hybridkraftwerk in Betrieb genommen. Als Ergänzung zur bestehenden 5 MVA-Diesel-Stromerzeugungsanlage konnte bereits die erste Ausbaustufe des Hybridkraftwerks mit einer Spitzenleistung von 1,89 MWp und einem 1MW Batteriespeicher den erneuerbaren Energieanteil auf der Insel stark erhöhen.
Die zweite Ausbaustufe mit einer Erhöhung der PV-Kapazität auf 4,15 MW und einer Batteriekapazität von 5,9 MWh schafft es nun bei guter PV-Einspeisung, die gesamte Insel vollständig mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen.
1.500 Kilometer entfernt vom spanischen Festland liegt El Hierro, die kleinste und abgelegenste Insel der Kanaren mit 11.000 Einwohnern. Die Stromversorgung erfolgte bis Juni 2014 ausschließlich durch einen Dieselgenerator, dessen Treibstoff per Schiff auf die Insel geliefert werden musste – jährlich entstanden so 18.200 Tonnen CO2-Emissionen. Durch die im Jahr 2000 erfolgte Einstufung von El Hierro als UNESCO-Biosphärenreservat begann, gefördert durch den spanischen Staat, die EU und den spanischen Energieversorger Endesa, ein ehrgeiziges Projekt mit dem Ziel, die Insel ausschließlich mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen. Dieses Ziel ist allerdings heute, Stand 2017, noch nicht vollständig erreicht, teils wegen unvorhergesehener geologischer Probleme, teils aufgrund des Pioniercharakters der Anlagen.
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Aufgrund der gebirgigen Topographie der Insel, kombiniert mit einem starken Winddargebot, entschieden sich die Verantwortlichen für eine Windenergie-Pumpspeicherkraftwerklösung. 2014 eröffnete der Windpark Gorono des Viento, der das oberhalb gelegene Pumpspeicherwerk zwischen dem speichernden La-Caldera-Krater und dem unterhalb gelegenen Llanos-Blancos-Auffangbecken speist. Die installierte Windenergieleistung von 11,5 MW, kombiniert mit der 11,32 MW Turbinenleistung des Pumpspeicherkraftwerks, reichen aus, um El Hierro vollständig mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu versorgen und die Meerwasserentsalzungsanlagen der süßwasserarmen Insel zu betreiben. Der Dieselgenerator wird derzeit aber dennoch als Backup benötigt, um Leistungsschwankungen auszugleichen.
Webportal der Endesa zum El-Hierro-Projekt
Vor 20 Jahren entschieden sich die Einwohner der dänischen Ostseeinsel Samsø ihre Insel bis 2030 vollständig mit Strom und Wärme Erneuerbaren Energien zu versorgen – 2017 ist man diesem Ziel schon ein gutes Stück nähergekommen. Hierzu kombinieren die Einwohner nahezu alle Technologien, die sich derzeit sinnvoll auf einer flachen, grünen Insel einsetzen lassen: BHKWs, befeuert mit Biogas, Holz und Stroh, eine 2.500 m² große Solarthermieanlage, diverse PV-Anlagen und elf Onshore- sowie zehn Offshore-Windkraftanlagen sorgen mit einer installierten Leistung von insgesamt 34 Megawatt für einen satten Energieüberschuss der Insel.
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Wie in jeder erfolgreichen Energiewendegeschichte liegen die Anlagen nicht im Besitz eines einzelnen Investors oder des dänischen Staates, sondern sind an viele einzelne Privateigentümer auf der Insel verteilt, die sich dem 100-Prozent-Erneuerbare-Energien-Ziel auch persönlich verschrieben haben. Derzeit erzeugen die Samsøer bereits einen negativen CO2-Ausstoß von minus zwölf Tonnen pro Einwohner. Seit 2007 werden die Erfahrungen und Ergebnisse auch in einer inseleigenen Energieakademie (Energitjenesten Samsø) zusammengetragen.
Mehr Informationen zum Projekt bei energieakademiet.dk
Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen rief die IRENA (International Renewable Energy Agency) das Projekt GREIN ins Leben. Ziel ist der Ideenaustausch und die praktische Diskussion über die Schaffung von Roadmaps zum Ausbau Erneuerbarer Energien auf Inseln. Wichtige Themen sind die Netzintegration, die Ressourcenfrage, die Anforderungen des Tourismus, eine nachhaltige Meerwasserentsalzung und Techniken für eine saubere Müllverbrennung. Mittlerweile wurden die ersten Roadmaps für Barbados und Kiribati entwickelt, in Cape Verde und Vanuatu wurde das GREIN beratend tätig.
Mehr Informationen auf dem Webportal der GREIN bei den Vereinten Nationen
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