Demokratie bedeutet Streit – so auch bei der Entstehung des Energiesammelgesetzes. Das Rundumpaket für die deutsche Energiewirtschaft bleibt umstritten, bietet aber auch Chancen.
Das am 14. Dezember 2018 verabschiedete Energiesammelgesetz (EnSaG) ist ein Gesetzespaket der Bundesregierung zur Änderung der vier maßgeblichen deutschen Energiegesetze. Es betrifft das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Seeanlagengesetz (SeeAnlG) sowie das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG).
Das Energiesammelgesetz strebt sowohl eine Korrektur der gesetzlichen Förderungsmaßnahmen als auch beschleunigte Umsetzung der Klimaschutzziele an. Dies soll durch zusätzliche Ausschreibungen bei Wind- und Solaranlagen und eine Stimulierung des Wettbewerbs um die Netz- und Systemdienlichkeit von Erneuerbaren Energien geschehen.
Der Entstehung des Energiesammelgesetzes lagen teils gegensätzliche Interessen zugrunde. Zum einen wünschten sich vor allem CDU/CSU einen intensiveren Wettbewerb der erneuerbaren Energieträger untereinander sowie eine Senkung der Förderungskosten. Zum anderen wünschte sich insbesondere die SPD eine nach wie vor auskömmliche Förderung von kleineren Photovoltaikanlagen. Im Parlament einigten sich die Abgeordneten schließlich auf einen Kompromiss, der allerdings von Politikern der Opposition, insbesondere von den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen sowie der FDP, abgelehnt wird.
Während die Grünen eine verbindliche Festlegung auf ein Erneuerbaren-Ziel von 65 Prozent bis 2030 an der gesamtdeutschen Stromversorgung vermissen, was immerhin einer Vorgabe des Koalitionsvertrags der Bundesregierung entspricht, sieht die FDP die Förderschwerpunkte falsch gesetzt, Planwirtschaft am Werk und besonders Stromspeicher zu wenig berücksichtigt.
Neben der Diskussion um die Förderung der einzelnen Energieträger, auf die wir in den folgenden Einzelabschnitten näher eingehen, standen bei der Entstehung des EnSaG vor allem der Ausbau des Anteils der Erneuerbaren Energien und die Einhaltung der Klimaziele der Bundesregierung bis 2020 im Vordergrund. Um diese zu erreichen, sieht das EnSaG eine beschleunigte Vergrößerung des EE-Anteils mittels Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie in Höhe von je 4.000 MW bis 2021 vor.
Das Ziel war und ist klar: Im Unterschied zur Windenergie, die in den vergangenen Jahren ein stürmisches Wachstum über den Ausbaupfad hinaus zeigte, blieb die Entwicklung der installierten Leistung in der Photovoltaik hinter dem bisher geltenden 2500 MW-Ziel zurück. Der jetzt beschlossene Ausbaupfad hebt das Ziel mit insgesamt 4.000 MW zusätzlich ausgeschriebener PV-Leistung, gestreckt auf drei Jahre, nun deutlich an: 2019 schreibt die BNetzA 1.000 MW, 2020 1.400 MW und 2021 1.600 MW zusätzliche PV-Leistung aus.
Dieser Impuls geht allerdings einher mit reduzierten Förderkonditionen für kleinere Anlagen ab 40 kW, typischerweise auf Hausdächern zu finden. Die ursprünglich von der Union zum Jahreswechsel 2018/19 beabsichtigte Kürzung von 20 Prozent auf 8,33 Cent pro kWh wich einem abgemilderten Kompromiss, dennoch reduziert sich die Förderung für PV-Kleinanlagen stärker als noch im EEG 2017 vorgesehen – wie wir später noch ausführlicher erläutern um etwa 11 Prozent.
Die PV-Branche sieht die Regelungen des EnSaG mit gemischten Gefühlen: Zwar wird das zusätzliche Ausschreibungsvolumen begrüßt – die Senkung der Förderung für kleinere Anlagen wird aber kritisch gesehen. Hinzu kommt, dass der 52-Gigawatt-Ausbaudeckel für die gesamte installierte Leistung an Photovoltaik in Deutschland fortbesteht; derzeit sind bereits rund 47 Gigawatt installiert.
Laut Bundesnetzagentur liegen die anzulegenden Werte für PV-Kleinanlagen im Dezember 2018 bei 10,47 und im Januar 2019 bei 10,36 Cent pro kWh. Mit dem 1. Februar 2019 greift dann die erste vereinbarte Sonderkürzung auf 9,87 Cent pro kWh, am 1. März die zweite Absenkung auf 9,39 Cent pro kWh und am 1. April die dritte Absenkung auf 8,9 Cent pro kWh. Dies entspricht einer Kürzung um 14 Prozent gegenüber dem Januarwert, verrechnet mit der regulären Degression von ca. einem Prozent pro Monat ergibt sich so ein Wert von etwa 11 Prozent, da diese während der Sonderkürzungsmonate ausgesetzt wird. Die reguläre Degression greift dann wieder ab dem 1. Mai 2019.
Nach wie vor ist die Direktvermarktung ab einer installierten Leistung von 100 kW verpflichtend, für die feste Einspeisevergütung von PV-Anlagen zwischen 40 und 100 kW installierter Leistung gilt eine analoge Regelung zum obenstehenden Verfahren. Gemäß den EEG-Vorgaben muss diese dann um jeweils 0,4 Cent pro kWh unter den zuvor genannten, gemäß anzuliegenden Werten des Energiesammelgesetzes liegen.
Bei der Windenergie ändert sich in der Förderung lediglich der Ausbaupfad, den das EnSaG durch die Sonderausschreibungen bis 2021 auf 4.000 MW anhebt. Auch hier gilt: Ab 2019 schreibt die BNetzA 1.000 MW, 2020 1.400 MW und 2021 1.600 MW zusätzliche Windleistung aus.
Der durchschnittliche Zuschlagswert in den Windenergieauktionen für Onshore-Wind betrug laut BNetzA nach der letzten Auktion vom 1. Oktober 2018 6,26 Cent pro kWh und hat sich somit von seinem Tiefstwert im Vorjahreszeitraum von 3,82 Cent pro kWh erholt – dennoch schätzen Branchenexperten die Aussichten für den Windenergieausbau derzeit eher schlecht ein, so etwa Hans Koenig, Experte des Beratungsunternehmens Aurora Energy im Handelsblatt.
Es gebe erstens kaum ein Windenergieparkprojekt, so Koenig, das nicht vor Gericht lande – die neuen Abstandsregelungen zu Wohngegenden in NRW und Bayern verkomplizieren dies zusätzlich. Zweitens sei zudem vielen Projektierern, die in der Tiefphase der Ausschreibungsergebnisse für Onshore-Windenergieanlagen den Zuschlag für 3,8 Cent pro kWh erhalten haben, angesichts der jetzigen, nahezu verdoppelten Erlösmöglichkeiten von 6,26 Cent pro kWh der Anreiz zum Bau ihrer Projekte abhanden gekommen. Drittens fügt Koenig hinzu, dass eine große Zahl der bezuschlagten Bürgerwindparks, die ohne das Vorliegen einer Baugenehmigung in großer Zahl erfolgreich an den Auktionen teilnehmen konnten, nun schon aufgrund rechtlicher Querelen im Entwicklungsprozess scheiterten.
Eine weitere Regelung betrifft konkret die Hardware der Windenergieanlagen: Anstelle von dauerhaft betriebenen, blinkenden Flugwarnlampen empfiehlt der Gesetzgeber nun den Einbau eines Transpondersystems, welches lediglich bei Annäherung eines Flugzeuges oder Helikopters die Warnlichter einschaltet. Pro Windpark kämen hier Kosten von 30.000 Euro auf die Betreiber zu, kleinere Windenergieanlagen könnten Ausnahmeregelungen von der Verpflichtung zur Umrüstung der Flugwarnbeleuchtung beantragen.
Das EnSaG sieht zwei jährliche Ausschreibungen für Biomasse vor, jeweils am 1. April und am 1. November. Das Ausschreibungsvolumen teilt sich auf diese beiden Runden auf, dies soll die Projekte beschleunigen.
Zur Förderung der bedarfsgerechten Fahrweise von Güllekleinanlagen wird deren Anlagenklasse von 75 kW installierter Leistung auf 75 kW Bemessungsleistung umgestellt. Die Änderung ermöglicht eine größere Bauweise bei flexiblerem Betrieb, was der bedarfsorientierten Fahrweise zugute kommt.
Trotz der Änderungen sehen die Bioenergieverbände das Gesetz eher kritisch, sie sehen ihren Energieträger zu wenig im EnSaG berücksichtigt. Um Planungssicherheit zu schaffen, wäre beispielsweise eine Festlegung der Ausschreibungsmengen für Bioenergie nach 2023 hilfreich gewesen, wie der Fachverband Biogas und der Bundesverband Bioenergie gemeinsam im Brancheninformationsdienst energate messenger forderten.
Neben vielen Änderungen des KWKG im Detail legt das EnSaG bei den KWK-Anlagen einen besonderen Schwerpunkt auf die Förderung von großen Bestandsanlagen. Die Fördersätze sollen jedoch auch hier abgesenkt werden: So sinken die bisherige Fördersätze pro kWh ab 50 MW auf 1,3 Cent pro kWh, ab 100 MW auf 0,5 Cent pro kWh und ab 300 MW auf 0,3 Cent pro kWh. Über 300 MW besteht kein Anspruch auf Anschlussförderung mehr, alle Änderungen gelten zudem rückwirkend zum 1. Januar 2018.
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Trotz der Kürzungen nimmt die Branche dennoch die Verlängerung des KWKG bis Ende 2025 positiv auf. Wichtig sei laut Branchenvertretern zudem, dass auch modernisierte KWK-Anlagen mit einer Investitionstiefe von mindestens 25, aber unter 50 Prozent in die Übergangsbestimmungen des KWK aufgenommen wurden, was einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb dieser Anlagen ermögliche.
Die COP 24 in Katowice machte aus dem 1,5-Grad-Ziel ein 2-Grad Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung – ein vielkritisierter Beschluss, der gewisse Parallelen zum Energiesammelgesetz aufweist. Denn vielen guten Ansätzen, beispielsweise die zusätzlichen Ausschreibungsvolumina für PV und Wind, stehen schwankende oder sinkende Erlösmöglichkeiten gegenüber.
Investitionssicherheit schafft dies leider unter den herrschenden Marktbedingungen nicht und sicherlich auch keinen großen Schritt in Richtung der mittlerweile ad acta gelegten Klimaziele der Bundesregierung für 2020. Wer gleichzeitig Gas gibt und auf die Bremse tritt, produziert leider außer Lärm und Abgasen keinen wirklichen Vortrieb – immerhin konnte die Bremskraft durch Nachverhandlungen beim EnSaG vermindert werden.
Schließlich sei noch gesagt: Wer sich, wie der CDU-Abgeordnete Jens Koeppen in der Bundestagsdebatte zum EnSaG vom 30. November 2018, um die Aufnahmefähigkeit des deutschen Stromnetzes für die zusätzlichen Gigawatt aus Erneuerbaren Energien sorgt – es steht der Bundesregierung frei, hier durch einen entschlossenen Kohleausstieg Platz im Netz zu schaffen und so nebenbei bei der nächsten Klimakonferenz viel souveräner auftreten zu können.
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