Wie eine zunehmend elastische Stromnachfrage unser Weltbild auf den Kopf stellen wird.
Bisher war doch alles recht einfach, nicht wahr? Der Kraftwerkspark hat Strom produziert, wann auch immer Strom gebraucht wurde. Solange Strom nachgefragt wurde, reihten sich die Kraftwerke eins nach dem anderen ein, die mit den niedrigsten Grenzkosten zuerst, am Ende dann die teureren. Merit Order nennt man das Prinzip, nach dem der Dispatch, also der Kraftwerkseinsatz, von den Betreibern entschieden wurde. Alter Hut. Sogar die Integration der Erneuerbaren Energien, die größtenteils mit Grenzkosten nahe 0 in den Markt dringen, konnte man noch mit dem Merit-Order-Prinzip erklären. Die Erneuerbaren drängten die teureren Kraftwerke schlicht aus dem Markt, der Strompreis an den Börsen sank.
Doch schon heute knarzt das Erklärungsmodell – denn mehr als das ist das Merit-Order-Prinzip eigentlich nicht – an allen Ecken und Enden:
Während man sich bei den beiden genannten Problemen noch mit allerlei Trickserei behelfen kann, um das heutige Merit-Order-Prinzip am Leben zu erhalten, ist eine dritte Entwicklung nicht wegdiskutierbar. Das Merit-Order-Prinzip geht von einer inelastischen Nachfrage aus, anders gesagt: Strom wird eben immer dann verbraucht, wenn er gebraucht wird und die Nachfrage nach Strom ist in Stein gemeißelt, unveränderbar. Strom wird ohne Rücksicht auf Preissignale konsumiert. Strom kommt halt aus der Steckdose. Doch diese Annahme ist schon heute nicht mehr zeitgemäß, der Stromverbrauch beginnt bereits sich zu flexibilisieren…
In Zukunft wird daher nicht mehr die letzte nachgefragte Megawattstunden den Preis für alle konsumierten Megawattstunden bestimmen, wie es heute der Fall ist, sondern vielleicht die flexibelste Megawattstunde auf Verbraucherseite. Ein Beispiel: Am 9. Oktober 2024 liegen die Windprognosen falsch, eine erwartete Windfront verspätet sich, sodass für die Viertelstunde zwischen 16:30h und 16:45h die Strompreise auf 800 Euro die Megawattstunde steigen. Im klassischen Merit-Order-Modell werden nun teure Gaskraftwerke aktiviert, da diese sich bei hohen Strompreisen endlich rentieren und auch recht schnell wieder abfahren können, wenn die Windfront eingetroffen ist. Nun passiert aber um 16:30 etwas anderes: Eine ganze Reihe an großen, mittleren und kleineren Stromverbrauchern verzichten darauf, Strom tatsächlich zu verbrauchen. Sie verschieben ihre Last auf 18 Uhr, da die Windfront die Preise wieder sinken lassen wird. Der Strompreis sinkt bereits um 16:45h wieder auf das gewohnte Niveau, ohne dass ein Kraftwerk seine Fahrweise anpassen musste. Diese elastische Stromnachfrage ist im starren Merit-Order-Modell nicht vorgesehen und daher auch nicht durch das Modell erklärbar.
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Wie aber werden Strompreise in Zukunft entstehen – wohlgemerkt nicht nur in Deutschland sondern wohl in den allermeisten Ländern der Welt? Welches Modell könnte Dynamiken besser erklären? Wir haben an dieser Stelle natürlich noch keine feste Vorstellung davon. Wir sind uns aber sicher, dass ein zweidimensionales Modell wie das Merit-Order-Prinzip nicht mehr ausreichen wird, folgende Entwicklungen abzubilden:
Fotocredit: Johann Dréo, Lizenz: CC BY-SA 2.0
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