Ist die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung von Energieimporten und Energiepolitik beeinflusst? Eindeutig ja, aber es kommt sehr stark auf die Nuancen der Zustimmung an. In der Diskussion des Forums „Am Ende der Pipeline“ von Next Kraftwerke waren alle Nuancen vertreten.
Eingeladen waren Gisela Manderla, CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Verteidigungsausschuss, der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich, ebenfalls MdB, sowie der ARD-Energieexperte Jürgen Döschner.
Jürgen Döschner positionierte sich klar: Für ihn ist der Link zwischen Verteidigungs- und Energiepolitik offensichtlich, es gehöre zur Doktrin der westlichen Staaten, auch Deutschlands, dass die Verteidigungspolitik zur Sicherung der Energieversorgung da sei. (►Video) Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich stimmte auf Nachfrage aus dem Publikum zu: Im zweiten Irakkrieg hätten „in der Tat auch energiepolitische Fragen“ eine Rolle gespielt. Als Verteidigungspolitikerin nahm Gisela Manderla für sich in Anspruch, „in diese [energiepolitische, Anm. der Red.] Fragen überhaupt nicht eingebunden“(►Video) zu sein, unterstütze aber Mützenichs These, dass sich Interessenvertreter in Energiefragen vornehmlich an den Wirtschaftsausschuss wenden würden.
Einig waren sich die Diskutanten, dass eine Energieautarkie Deutschlands wegen seines Energieverbrauchs und der internationalen Verflechtungen der Bundesrepublik sowie der per se globalen Dimension des Klimawandels weder möglich noch wünschenswert wäre. Nicht möglich, weil der Energieverbrauch im Verhältnis zur möglichen Energieproduktion zu groß sei, nicht wünschenswert, weil Deutschland vielfältige Handelsbeziehungen unterhalte und diese nicht verlieren wolle.
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Global betrachtet sei Energiepolitik vor allem für die Krisenherde des Nahen Ostens relevant, so Jürgen Döschner. Gerade hier ginge es um die Sicherung und den Zugang zu Pipelinetrassen und Erdgasförderung im Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Akteuren. Auch das außenpolitische wie innenpolitische Handeln des wegen der niedrigen Ölpreise unter Druck geratenen Russlands sei unter diesen Vorzeichen zu betrachten.
Rolf Mützenich hob die wachsende Unabhängigkeit der USA von der Ölförderung des Nahen und Mittleren Ostens in den Vordergrund: Durch die gewonnene Autarkie beim Erdöl könnten die USA ein Chaos im Nahen Osten eher ertragen als Europa, dass unter Last der Flüchtlingsströme aus den bestehenden und neuen Krisenherden zu leiden hätte, so der SPD-Politiker. (►Video) Von der friedensstiftenden Kraft möglichst vielfältiger internationaler Beziehungen sei er mittlerweile nicht mehr überzeugt: „Früher habe ich gesagt, je mehr gegenseitige Kenntnisse und Abhängigkeiten existierten, desto eher Garantie für friedliche Beziehungen. Davon bin ich leider, durch meine Erfahrungen, abgerückt."
Die Rolle von Öl und Atomkraft im Energiemix der Zukunft definierten die Diskussionsteilnehmer sehr unterschiedlich. Gisela Manderla vertrat die These, dass der „Club of Rome“ mit seinen Aussagen zur Endlichkeit der Ölvorräte durch neue Ölfunde vor der US-Westküste widerlegt sei. (►Video) Zudem wertete Sie die Importunabhängigkeit Chinas durch eigenen Atomstrom positiv; dort werde „preiswerte Energie erzeugt und man kann damit auch was machen.“(►Video)
Jürgen Döschner hingegen blickte besonders kritisch auf die Abhängigkeit vom Öl: „Öl ist der Sklave unserer Zeit“. (►Video) Früher hätten Europa und Nordamerika Sklaven aus den Ländern entführt, aus denen sie heute Öl importierten. Beides hätte nur ein Ziel: Die Mehrung des eigenen Wohlstands. Um die Folgen, sowohl in den importierenden als auch in den exportierenden Ländern, kümmere man sich nach wie vor nicht. Genauso wenig kümmere man sich um die möglichen Folgen der eigenen Politik für den Klimawandel, die man erst zu spüren bekäme, wenn Millionen von Klimaflüchtlingen nach Europa strömen würden.
Gisela Manderla sah Verteidigungsausschuss und Bundeswehr bei Energiefragen weitgehend unbeteiligt. Auf die Nachfrage des Moderators Jan Aengenvoort, dass Panzer schließlich auch Öl benötigten und das die US-Army sich seines Wissens nach aktiv mit Erneuerbaren Energien aus strategischen Gründen beschäftigte, verwies die Abgeordnete auf die neue Cybertruppe der Bundeswehr, die aber ebenfalls nicht primär mit Energiefragen befasst sei.
Direkt von Moderator Jan Aengenvoort auf den Zusammenhang zwischen Rüstungsexporten und Energieimporten an Saudi Arabien angesprochen, belegte Gisela Manderla, dass Deutschland derzeit keine Panzer an Saudi Arabien exportiere. Zur Unterstützung ihrer Aussage legte sie eine vorbereitete Liste der seit 2013 exportierten Rüstungsgüter nach Saudi Arabien vor, die viele militärische Ausrüstungsgegenstände umfasste, darunter auch Ersatzteile für Panzer.
Rolf Mützenich sah die deutschen Waffenexporte kritischer: Er sei weder glücklich mit dem Bau eines Produktionsbetriebs von Heckler & Koch in Saudi Arabien, noch mit der Ausfuhr von Patrouillenbooten in den Golfstaat. Im Bundessicherheitsrat werde Saudi Arabien aber anders wahrgenommen als in seiner persönlichen Meinung, dies sei das politische Geschäft. Er müsse leider konstatieren, dass man bezüglich der Reduzierung der Waffenexporte hinter den Anforderungen des Koalitionsvertrags zurückgeblieben sei, resümierte der SPD-Abgeordnete kritisch. (►Video)
Festzustellen bleibt: Der Zusammenhang von Sicherheits- und Außenpolitik und Energiefragen ist vielschichtig, wurde aber nicht im Kern bestritten. Es ist und bleibt problematisch, dass Deutschland von Energieimporten aus Krisenregionen abhängig ist. Die sich anschließende rege Diskussion, die Komplexität des Themas und die vielen offen gebliebenen Fragen machen klar: Deutschland muss einen Standpunkt finden – am Ende der Pipeline oder an der Spitze der Energiewende?
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