Ende Januar hatte der Bundestag das Biogaspaket verabschiedet. Die Maßnahmen sollen mehr Planungssicherheit für die Branche schaffen und die Flexibilisierung des Anlagenbetriebs anreizen. Im Interview mit Zorica Marijanovic, Prodcuct Managerin im Bereich Biogas bei Next Kraftwerke, schauen wir uns die Regelungen im Detail an und bewerten Chancen und Risiken.
Verena Dubois: Kurz vor den Neuwahlen hat die alte Bundesregierung das Biogaspaket noch auf den Weg gebracht. Ab wann gelten die Neuregelungen und können wir davon ausgehen, dass das Paket so bestehen bleibt?
Zorica Marijanovic: Am 24.02.2025 wurde des Biogaspaket im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es steht jedoch noch die beihilferechtliche Genehmigung der EU für den Großteil der Inhalte aus. Es ist also noch nicht klar, ab wann die entsprechenden Neuregelungen gelten werden. Die nächste Biomasse-Ausschreibungsrunde am 1.4. wird aber voraussichtlich noch unter den alten Regelungen ablaufen.
Dass sich eine neue Bundesregierung das Gesetz noch einmal anschaut, ist durchaus denkbar. Ich gehe aber nicht davon aus, dass das Paket noch einmal komplett umgeworfen wird, da der aktuelle Entwurf mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen angenommen wurde.
Verena Dubois: Kannst du einmal die wichtigsten Neuerungen zusammenfassen?
Zorica Marijanovic: Die Ausschreibungsvolumina für Biogas wurden erhöht, und zwar von 400 MW auf 1.300 MW in 2025 und von 300 MW auf 1.126 MW in 2026. Insgesamt wurde das Volumen von ursprünglich 1.300 MW auf 2.800 MW (zzgl. Biomethanvolumen sogar bis auf 3.700) angehoben. Die Ausschreibung zum 1. April 2025 wurde jedoch aufgrund der ausstehenden EU-Genehmigung mit lediglich 184 MW gestartet, wobei unklar bleibt, warum die Biomethanmengen nicht berücksichtigt wurden. Außerdem wurden mit dem Paket der zweite Vergütungszeitraum von zehn auf zwölf Jahre verlängert und der Flexibilitätszuschlag von 65 auf 100 Euro/kW erhöht. Wichtige Änderungen gab es auch noch bei der Förderfähigkeit: Bei Anlagen, die nach dem neuen Ausschreibungsdesign bezuschlagt werden, entfällt die Förderung, wenn der Preis unter 2 Cent/kWh fällt. Eine weitere Änderung ist die Verkürzung der Frist für den Wechsel in die Anschlussförderung. Diese wurde von 5 auf 3,5 Jahre heruntergesetzt.
Verena Dubois: Eine zentrale Änderung betrifft die förderfähige Betriebszeit. Wie sieht diese aus?
Zorica Marijanovic: Die EEG-Förderung erfolgt künftig nicht mehr auf Basis der Höchstbemessungsleistung. Stattdessen werden die förderfähigen Betriebsviertelstunden vergütet. Begrenzt ist dies auf 11.680 Betriebsviertelstunden bei Anlagen über 350 kW. Wenn man diese voll durchfährt, kommt man auf 33 % der Jahresstunden. Bei Anlagen unter 350 kW liegt die Begrenzung bei 16.000 förderfähigen Viertelstunden, was bei einem On-Off Betrieb umgerechnet einer Höchstbemessungsleistung von 46% entspräche. Wichtig zu wissen ist auch, dass sich die Betriebsviertelstunden im Laufe der Zeit schrittweise verringern: um jeweils 500 BVh ab dem 01. Januar des 5., 7., 9. und 11. Jahr nach der Zuschlagserteilung bei der April-Ausschreibung bzw. des 6., 8., 9. und 11. Jahr nach der Zuschlagserteilung bei der Oktober-Ausschreibung.
Verena Dubois: Was bedeutet der Wechsel von der Höchstbemessungsleistung auf die Betriebsviertelstunden konkret für den Anlagenbetreibenden?
Zorica Marijanovic: Gehen wir von einer Anlage aus, die 1 MW groß ist und bei der nach der noch geltenden Regelung 45 % der möglichen Volllaststunden gefördert werden. Wenn der Anlagenbetreibende in Zukunft die gleiche Menge gefördert bekommen möchte, muss die Anlage auf 1,4 MW überbaut werden. Es ist also mehr Volumen nötig, um auf die gleiche Menge von förderfähigen Stunden zu kommen. Auf diese Weise wird eine weitere Flexibilisierung angereizt.
Verena Dubois: Was ist der Hintergrund dieser Umstellung und wie bewertest du diese?
Zorica Marijanovic: Mit der Umstellung wird der Anreiz für einen Start-Stopp-Mechanismus gesetzt. Auch ein kürzeres Anfahren zahlt auf die förderfähigen Betriebsviertelstunden ein. Hintergrund ist wieder der gewünschte flexible Betrieb: Man möchte nicht länger BHKWs haben, die auf Grundlast fahren. In Zukunft sollen alle BHKW flexibel einspeisen.
Wir sehen diese Umstellung kritisch, da sie die Flexibilität der Anlage einschränkt und zu Mehraufwand führt. Die Einschränkung der Flexibilität bedeutet, dass die Anlage ihren Betrieb weniger gezielt auf die lukrativsten Stunden verteilen kann bzw. weniger Anreiz dazu hat. Je stärker die Fahrweise jedoch auf Grundlage der Strompreise optimiert werden kann, desto systemdienlicher ist sie. Letztlich gehen wir davon aus, dass die Regelung zu einem erhöhten administrativen Aufwand auf Netzbetreiberseite führt.
Verena Dubois: Noch mal zurück zu den Ausschreibungsvolumina. Ist die Erhöhung aus deiner Sicht ausreichend?
Zorica Marijanovic: Die Erhöhung bringt auf jeden Fall zum Ausdruck, dass es politischer Konsens ist, flexiblen Biogasanlagen eine Zukunftsperspektive zu geben. Lange war es ja nicht klar, wie es für Anlagen, die aus der Förderung laufen, weitergehen könnte und ob die Regierung die Technologie in ihren Plänen berücksichtigt.
Die im Biogaspaket eröffneten Zukunftsperspektiven sind allerdings an klare Bedingungen geknüpft: die Anlagen müssen flexibel einspeisen und so ihren Vorteil gegenüber volatilen Energiequellen ausspielen. Hierzu wurden - wie beschrieben - neben den bereits bestehenden Anforderungen weitere Anforderungen on top gesetzt.
Durch diese erhöhten Flexibilitätsanforderungen müssen die Anlagen auf jeden Fall stärker überbaut werden, damit sie auf die gleiche förderfähige Menge kommen wie zuvor. Das bedeutet: Die förderfähige Erzeugungsmenge pro installierte Leistung sinkt. Somit wird man vermutlich trotz der deutlichen Erhöhung nicht alle flexiblen Anlagen weiterbetreiben können. Hier wäre also noch Luft nach oben, wenn man den gesamten Kraftwerkspark erhalten wollte.
Verena Dubois: Gehen wir mal zu den praktischen Fragen: Was müssen Anlagenbetreibende tun, um eine Anschlussförderung zu bekommen?
Zorica Marijanovic: Für die Anschlussförderung müssen Anlagenbetreibenden zunächst an einer Ausschreibung teilnehmen. Diese finden aktuell immer zum 1.4. und 1.10. des Jahres statt. Voraussetzung für die Teilnahme bzw. Bezuschlagung ist, dass die Anlage bedarfsorientiert einspeisen kann, also flexibel fährt. Das muss durch einen Umweltgutachter geprüft werden. Ein Nachweis hierüber muss dann mit weiteren Unterlagen bis zum Gebotstermin bei der Bundesnetzagentur eingereicht werden. Genaue Infos zum Prozedere findet man auch auf den Seiten der BNetzA.
Verena Dubois: Wann ist der richtige Zeitpunkt zur Teilnahme an der Ausschreibung?
Zorica Marijanovic: Man kann schon bis zu fünf Jahre vor Förderende an der Ausschreibung teilnehmen und sich die Anschlussförderung sichern. Spätester Termin wäre einige Monate vor Ablauf der ersten Förderperiode, denn nach Zuschlagserteilung kann man frühestens nach zwei Monaten wechseln. Das sollten Betreibende mit einplanen, wenn sie eine lückenlöse Förderung wünschen. Die kommende Ausschreibung am 1.4. wird voraussichtlich noch nach dem alten EEG ablaufen. Es ist denkbar, dass hier eine hohe Nachfrage entsteht von Betreibenden, die nicht in eine weitere Flexibilisierung investieren möchten. Auch die letzten Termine waren immer überzeichnet. Wer teilnehmen möchte, sollte jetzt aktiv werden. Die erste einzuhaltenden Frist ist die Meldefrist für Genehmigungen und endet am 04. März.
Verena Dubois: Der Flexzuschlag wurde von 65 auf 100 €/kW erhöht. Bekommt man den Zuschlag automatisch nach Bezuschlagung? Und wie verhält sich das, wenn man schon die Flexprämie in Anspruch genommen hat?
Zorica Marijanovic: Bei den Regelungen zum Flexzuschlag ändert sich außer der Höhe nichts. Wurde die Leistung bereits über eine Flexprämie gefördert, bekommt der Betreibende noch 50€/kW. Wenn noch nicht gefördert wurde, dann sind es 100 € kW. Dazu gibt es auch eine Formel, mit der man errechnen kann, wie viel Leistung schon mit der Flexprämie gefördert wurde.
Eine sehr wichtige Regelung im Kontext des Flexzuschlags ist die 4.000-Viertelstunden-Regel. Diese besagt, dass man in mindestens 4.000 Viertelstunden 85 % der installierten Leistung einspeisen muss. Wird dieses Qualitätskriterium nicht erfüllt, muss der Betreibende den Flexzuschlag zurückzahlen. Dabei können sehr hohe Rückzahlungsverpflichtungen entstehen.
Verena Dubois: Wie kann der Anlagenbetreibende sicherstellen, dass das nicht passiert?
Zorica Marijanovic: Es empfiehlt sich auf jeden Fall, den Stand in der zweiten Jahreshälfte zu überprüfen. Falls der Anlagenbetreibende hierzu kein eigenes Monitoring hat, können unsere Flexmanager_innen dabei unterstützen, die Daten zu bestimmen.
Verena Dubois: Wie ist denn Next grundsätzlich aufgestellt, was die Vermarktung von Betreibenden in der Anschlussförderung betrifft?
Zorica Marijanovic: Wir sind ja schon immer auf die Vermarktung von Flexibilität spezialisiert, was natürlich sehr gut zu den Anforderungen des Pakets passt. In unserer Gasspeicheroptimierung planen wir den Fahrplan basierend auf unserer aktuellen Preis- und Gasspeicherfüllstandsprognose und unter Berücksichtigung der technischen Restriktionen. Auf dieser Basis werden dann täglich optimierte Fahrpläne generiert und gefahren. Das passiert vollautomatisiert, nimmt den Betreibenden also Arbeit ab. Gleichzeitig kann der Fahrplan bei Bedarf angepasst werden, die Kund_innen behalten also die volle Kontrolle über ihre Anlage. Eigenoptimierung und manuelle Steuerung bieten wir alternativ auch an. Ein weiterer wichtiger Vorteil für den Anlagenbetreibenden ist, dass wir uns nicht auf einen Markt beschränken, sondern Flexibilität sowohl in den Kurzfristmärkten vermarkten als auch auf dem Regelenergiemarkt, auf dem Kapazitäten für die Stabilität des Stromnetzes bereitgestellt werden. So ist sichergestellt, dass die Kund_innen immer den größten Mehrwert aus ihrer Flexibilität herausholen.
Verena Dubois: Welche anderen Optionen haben Anlagenbetreibende, wenn sie sich nicht für eine Anschlussförderung bewerben?
Zorica Marijanovic: Es bliebe noch die sonstige Direktvermarktung als Alternative, zum Beispiel auch kombiniert mit der Bereitstellung von Regelenergie für zusätzliche Erlöse. Insgesamt ist diese Variante aber natürlich weniger wirtschaftlich als eine weitere EEG-Förderung.
Verena Dubois: Wie bewertest du abschließend die Situation der Branche? Was sind Chancen, was sind Herausforderungen?
Zorica Marijanovic: Die Biogasbranche hat in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor ein Reputationsproblem. Es herrscht immer noch vielerorts die Annahme, dass alle Anlagen Strich fahren, da dies auch in öffentlich verfügbaren Daten größtenteils so dargestellt ist (z.B. SMARD oder Energy Charts). Damit erscheint die Bioenergie als eine relativ teure Technologie ohne echten Mehrwert. Ein großer Teil unseres Portfolios fährt jedoch flexibel, stellt Regelenergie bereit und leistet so einen systemdienlichen Beitrag. Es bleibt abzuwarten, für wie viele Betreibende die neuen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen und ob die Ausschreibungen nach neuem Recht weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgen. Als einer der größten Flexvermarkter stehen wir den Anlagenbetreibenden dabei zur Seite und unterstützen diese dabei, den größten Mehrwert aus ihrer Anlage herauszuholen.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
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