Die 2012 in Kraft getretene Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat viele weitreichende Veränderungen rund um das Thema „Energiewende“ bewirkt. Eine der deutlichsten Änderungen zeigt sich durch das neue Vergütungsmodell „Direktvermarktung“.
Aber Obacht, neben solchen großen Änderungen sind die kleinen Änderungen nicht zu missachten. Denn auch hier kann der s.g. Schmetterlingseffekt gelten, sprich kleine Änderungen der Anfangsbedingungen können erhebliche Auswirkungen haben. Die Rede ist vom EEG-Anlagenbegriff, der in Paragraph 3 Absatz 1 des EEG 2012 geregelt ist. Hier ist eine Anlage definiert als eine „[…] Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien […]“. Auf den ersten Blick erscheint diese Definition eindeutig und frei von Problemen zu sein.
Aber nicht so schnell, zuvor stelle man sich folgendes Szenario vor: Ein Biogasanlagenbetreiber überlegt erneut in die „Energiewende“ zu investieren und baut zu seiner bestehenden Anlage ein zweites BHKW hinzu. Somit besitzt der Biogaswirt – technisch gesehen - zwei Anlagen zur Stromerzeugung. Nun stellt sich die Frage, inwiefern dieses zweite BHWK eine eigene Anlage oder lediglich einen Zubau darstellt? Ein weiteres Grenzszenario stellt ein sogenanntes Satelliten-BHKW dar, ein BHKW also, das räumlich weit getrennt und doch über eine längere Gasleitung mit den restlichen Erzeugungseinheiten (wie Gasspeicher, Fermenter, Nachgärer, usw.) verbunden ist. Ist dieses Satelliten-BHKW ebenfalls eine selbstständige Anlage? Oder aus der Spiegelperspektive der vorgelagerten Erzeugungseinheiten: Führt die gemeinsame Nutzung von Fermenter, Nachgärer, für zwei BHKWs (bzw. Generatoren) zur Bildung einer Anlage? Die Rechtsprechung sagt hierzu ein eindeutiges JEIN!
Jedoch zuvor noch ein kurzer Einschub: Was ist hier überhaupt die Gretchenfrage? Welche Auswirkungen für einen Biogasbetreiber hat denn eigentlich eine unterschiedliche Interpretation des Anlagenbegriffes? Die Auswirkungen sind erheblich! Ein zweiter Generator, der als eigenständige Anlage interpretiert wird, fällt auch in ein anderes (aktuelleres) Vergütungssystem. Die Vergütungsbestimmungen und Vergütungssätze der „ersten“ Anlage könnten lukrativer sein als eben das aktuelle Vergütungssystem. Handelt es sich um einen Zubau, sprich der zweite Generator wird in die ursprüngliche Anlage integriert, fällt eben dieser zweite Generator in das „alte“ Vergütungssystem.
Zurück zur Rechtsprechung. Eine Gegenüberstellung des EEG-2012 & EEG-2009 mit dem EEG-2004 zeigt, was passiert ist. In 2004 lautete der Paragraph 3 Absatz 1 EEG noch: „[Eine] Anlage ist jede selbstständige technische Einrichtung zur Erzeugung von Strom […]“. Im EEG 2009 und 2012 ist dagegen der Ausdruck „technisch“ gestrichen worden. Diese Streichung wird teilweise in der Rechtspraxis als „weite“ Definition des Anlagebegriffs gedeutet. So urteilte jedenfalls das Oberlandesgericht Brandenburg (2010; Az. 12 U 79/10), das Landesgericht Halle (2011; Az. 7 O 1469/09) und das Landesgericht Frankfurt (Oder) (2011; Az. 12 O 211/10) und das Oberlandesgericht Stuttgart (2011; Az. 12 O 174/11). Das Urteil des OLG Stuttgart bezieht sich auf Wasserkraft, ist jedoch ebenfalls relevant für den Energieträger Biogas. Aufgrund dieser Urteile würde die Antwort auf die Frage, inwiefern es sich um eine oder mehre Anlagen bei dem oben genannten Szenario handelt, lauten: Nein, es handelt sich auch bei einem Zubau eines zweiten Generators um eine Anlage.
Berücksichtigt man die Urteile – in Anlehnung an die Interpretation des §19 Abs. 1 EEG 2012 von der Clearingstelle EEG – des Landesgerichts Duisburg (2012; Az. 23 O 25/11) und des Landesgerichts Regensburg (2011; Az. 3 O 896/11 (3)), würde sich ein „enger“ Anlagenbegriff ergeben. Auf diesen Urteilen stützend, würde sich die Antwort ergeben: Ja, es handelt sich bei einem Zubau eines zweiten Generators um zwei Anlagen.
Derzeit befinden wir uns noch in dieser zwiespältigen Gesetzessituation, da einerseits übergeordnete Instanzen (wie bspw. der Bundesgerichtshof) noch für keine bestimmte Interpretation des Paragraphen 3 Abs. 1 („eng“ oder „weit“) entschieden haben. Andererseits sind die Urteile der genannten Landesgerichte und Oberlandesgerichte (bis auf das Urteil des OLG Brandenburgs) nicht rechtskräftig geworden. Bisher bleibt nur abzuwarten, welche Interpretation sich in dieser hitzigen Debatte durchsetzen wird. Man mag sich derweil mit den Worten des ehemaligen Bundesministers für Arbeit und Soziales vertrösten: „Das Leben hat immer mehr Fälle, als der Gesetzgeber sich vorstellen kann.“
Der Bundesgerichtshof hat sich Ende Oktober 2013 für den weiten EEG-Anlagebegriff ausgesprochen. Hier gibt es mehr Informationen.