Mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit Anlagen der Erneuerbaren Energien auch am Regelenergiemarkt teilnehmen dürfen. Insbesondere Anlagen, die mit Biogas betrieben werden, bieten aus technischer Sicht gute Voraussetzungen für die Bereitstellung von Regelenergie. Jedoch eignet sich nicht jede Anlage in gleichem Maße für die Vermarktung.
Aber welche Voraussetzungen sollte eine Biogasanlage (BGA) aus unserer Sicht erfüllen, um möglichst effizient und gewinnbringend Regelenergie innerhalb eines virtuellen Kraftwerks bereitzustellen? Worauf sollten Betreiber achten, um flexibel die Leistung ihrer Biogasanlage am Regelenergiemarkt zu vermarkten?
Folgende Kriterien halten wir für wichtig:
Eine Grundvoraussetzung versteht sich beinahe von selbst: Ohne Regelbarkeit keine Vermarktung von Regelenergie. Dabei ist nicht nur entscheidend, ob sich eine Anlage regeln lässt. Wichtig ist insbesondere die Reaktionszeit der Anlage; wie schnell reagiert sie auf einen Befehl zur Laständerung. Die Grundparameter sind in diesem Fall durch die beiden Produkte abgesteckt, die für BGAs am Regelenergiemarkt relevant sind. Während für die Sekundärreserveleistung (auch abgekürzt SRL) die Anlage eine Reaktionszeit von unter 30 Sekunden und den vollen Leistungsabruf innerhalb von fünf Minuten zeigen muss, gelten für die Minutenreserveleistung (MRL) eine Reaktionszeit von fünf Minuten und eine Erbringung der geforderten Leistung binnen 15 Minuten. Faustregel: Je schneller eine Anlage reagiert, umso vorteilhafter ist sie für die Vermarktung aus Sicht eines virtuellen Kraftwerks und umso mehr Erlöse erzielt sie. Da es mitunter in kurz aufeinander folgenden Abständen zu Abrufen von Regelenergie kommt, muss die Anlage auch unter diesen anspruchsvollen Bedingungen stabil und zuverlässig die gewünschte Leistung erbringen. Das bedeutet ebenfalls, dass eine Anlage selbst nach längerem Teillastbetrieb oder auch Stillstand schnell und störungsfrei hochfahren muss. Grundlegend ist festzuhalten, dass ein gutes Start- und Laufverhalten für die Regelenergie eine Grundvoraussetzung darstellt. Der Vorteil von guten Reaktionszeiten schlägt sich direkt im Erlös nieder: Erträge in der SRL liegen höher als in der MRL. Neben der Reaktionszeit ist selbstverständlich auch die Art der Regelbarkeit von entscheidender Bedeutung. Eine Anlage, die sich nur in wenigen Stufen regeln lässt, kann selbstverständlich auch für die Bereitstellung von Regelenergie genutzt werden; weitaus vorteilhafter ist es, wenn sich die Anlage stufenlos bis zur Mindestleistung regeln lässt. So lassen sich präzisere Abrufe von Regelenergie durch das virtuelle Kraftwerk realisieren. Das dahinterstehende Prinzip ist einfach nachzuvollziehen: Mit einem Pool an Anlagen, die nur in groben Schritten ihre Leistung regeln können, ist es aufwendiger die einzelnen Anlagen zu koordinieren, um eine bestimmte Menge an Regelenergie abzurufen, als es mit einem Pool aus Anlagen möglich ist, deren Schaltschritte granularer aufgelöst sind.
Neben der stufenlosen Regelbarkeit ist zudem ein möglichst stabiles Fahrverhalten der Biogasanlage wünschenswert. Je präziser eine Anlage fährt, desto genauer können Abrufe erfolgen. Denn kommt es im Abruf von Regelenergie zu Leistungsschwankungen, so müssen diese durch andere Anlagen ausgeglichen werden. Sollten auch diese in ihrer Fahrweise Schwankungen aufweisen, schaukeln sich diese Abweichungen leicht auf. Das Ergebnis führt unter Umständen zu einer schwankende Fahrweise des virtuellen Kraftwerks und macht mitunter Nachregelungen weiterer Anlagen im Pool notwendig. Über eine schnelle Reaktionszeit und eine stufenlose Regelbarkeit hinaus spielt auch die Flexibilität in der Gasspeicherung eine wichtige Rolle. Nur so lassen sich auch längere Abrufe negativer Regelenergie realisieren. Während dieser Abrufe läuft die Anlage nur mit reduzierter Leistung und verbraucht weniger Gas, das während dieses Zeitraum gespeichert werden muss. Gleichzeitig sollte die Biogasanalage aber auch über ausreichend Gas verfügen, um dauerhaft unter Volllast oder zumindest unter Teillast zu fahren. Der Grund ist trivial aber nicht unwichtig: Nur laufende Anlagen sind überhaupt in der Lage negative Regelenergie bereitzustellen. Und je höher das potentielle Delta zwischen regulärem Betrieb und Abruf ist, desto mehr negative Regelenergie kann bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollte eine Anlage über möglichst wartungsarme Komponenten verfügen, da während einer Wartung die Anlage vollständig stillsteht und so schlicht kein Geld zu verdienen ist.
Nachdem wir nun die grundlegenden Parameter für eine optimale Fahrweise einer Anlage festgehalten haben, stellt sich auch die Frage, welche Leistungsmenge denn am besten zur Vermarktung am Regelenergiemarkt innerhalb eines virtuellen Kraftwerks geeignet ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt die Gesamtleistung einer BGA. Viel entscheidender ist die zur Verfügung stehende regelbare Leistung. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Biogasanlagen mit einer regelbaren Leistung von unter 100 kW innerhalb eines virtuellen Kraftwerks eher selten für den Betreiber und das virtuelle Kraftwerk lohnen. Oft fallen die Erträge im Verhältnis zur potentiell verfügbaren Leistung nicht genug ins Gewicht. Diese Einteilung kann sich in Zukunft ändern: Technische Neuerungen, etwaige Änderungen im EEG oder neue preisliche Entwicklungen werden in diesem für die zukünftige Bewertung von Profitabilität eine Rolle spielen.
Jenseits von leistungsbezogenen Faktoren spielt auch die Anbindung der BGA an das virtuelle Kraftwerk und an das Stromnetz eine wichtige Rolle. Für die Integration der Anlage in das virtuelle Kraftwerk ist es notwendig, dass sie über eine bidirektionale Schnittstelle verfügt, damit man auf die wichtigen Parameter der Anlagenfahrweise zugreifen kann. Bidirektional bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Anlage sowohl von der Leitstelle aus gesteuert als auch ihre Fahrweise überwacht und ausgelesen werden kann. Neben Anbindung, Fahrweise oder Regelverhalten ist auch die Anbindung der BGA zum Verteilnetzbetreiber von Bedeutung. Problematisch sind in diesem Kontext zusätzliche Verbraucher wie etwa eine Heizung oder das Licht für nebenstehende Stallungen zwischen dem BHKW und dem Zählpunkt. Ihr – mitunter fluktuierender – Stromverbrauch erschwert oder verzerrt die Berechnung und Zuordnung von abgerufener Leistung. Ähnlich verhält es sich, wenn mehrere Anlagen über einen Zählpunkt laufen. Eine klare Zuordnung und Steuerung der Anlagen im virtuellen Kraftwerk wird so weitaus komplizierter – insbesondere wenn es um die Abrechnung der wirklich gelieferten Mengen an Regelenergie geht.
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Oft kommt im Zuge von Regelenergie die Sprache auf potentielle Wärmelieferungsverpflichtungen auf Seiten des BGA-Betreibers. Die Frage, die oft im Raum steht, ist: Kommt es nicht zu Problemen in der Wärmelieferung, wenn die Anlage bei Abrufen negativer Regelenergie mit weniger Leistung fährt? Auf den ersten Blick ist dies eine berechtigte Frage. Jedoch spielt sie erfahrungsgemäß in der Praxis keine signifikante Rolle. Insbesondere in der SRL hat das Fahrverhalten einer Anlage aufgrund der physikalischen Trägheit von Wärme keine erfahrbaren Auswirkungen. Sollten darüber hinaus dennoch weitere unterstützende Lösungen gewünscht sein, helfen Wärmepuffer oder Power-to-Heat-Anlagen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit von Ersatzwärmelieferanten. Bei vollständig wärmegeführte Anlage muss individuell entschieden werden. Prinzipiell lassen sich wärmegeführte Biogasanlagen in ein virtuelles Kraftwerk integrieren. Faktoren wie Wärmemengen oder Ersatzwärmelieferanten machen jedoch ein pauschales Urteil unmöglich.
Wenn es um Netzstabilität geht, leisten Biogasanlagen in der Regelenergie bereits heute einen wichtigen Beitrag, auf den sich in Zukunft gut weiter aufbauen lässt. Es sollte betont werden, dass die vielen Anlagen, die heute in unserem virtuellen Kraftwerk Regelenergieleistungen bereit stellen, nicht über alle Optimierungen verfügen, die hier aufgeführt sind. Und dennoch vermarkten sie profitabel Regelenergie aus Biogas über ein virtuelles Kraftwerk. Darüber hinaus bieten die angesprochenen Optimierungspotentiale vielzählige Stellschrauben, um die Stromproduktion von Biogasanlagen noch effizienter und gewinnbringender zu gestalten.
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